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Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Titel: Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
Autoren: Walter Fritz Müller
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gefällt.«
    »Ganz recht«, pflichtete Armin ihm bei, »also schenkt man ihm zum Beispiel eine Modenschau. Aber weiter: Die Herrschaften im Hintergrund sind die Eltern der jungen Damen und einige von denen, die das alles finanzieren. Der Herr da hinten, der, der mit verschränkten Armen neben der Säule steht, ist ein Friseur. Verzeihung, ein Coiffeur aus New York. Er hat die eleganten Damen hier frisiert.«
    Und als Rex ihn ungläubig ansah, ergänzte Armin sofort: »Die Hauptarbeit haben seine Friseurinnen gemacht. Er ist ja der Meister, der selbstverständlich die Modelle entwirft, ansonsten anweist und nur hier und da ein wenig Hand anlegt.«
    »Da muss jede Frisur ja ein Vermögen kosten«, sagte Rex.
    »Die kosten gar nichts«, winkte Armin ab, »das verbucht dieser New Yorker unter Werbung, weil er damit in die renommierten Modezeitschriften kommen will. Und das gelingt ihm ja auch.«
    Der Moderator sprach gedämpft wie in der Oper in sein Mikrofon und stellte die Herrschaften, ihre Kleider, Frisuren und den Schmuck vor. Selbstverständlich vergaß er nicht, die Couturiers zu nennen, die in Paris, London, New York und sonst wo ihre Studios unterhielten. Von Vesperini war die Rede, Chanel Couture wurde genannt, Laurent, Tondowski, Miyake, Balmain und andere klangvolle Namen. Palmers Schneider hieß Karuschke, und bei ihm ließ er nur deshalb arbeiten, weil ihm die Hemden und Anzüge von der Stange nicht passten. Palmer war viel zu dick.
    Rex Palmer staunte über die fantasievollen Ausdrücke, die der Moderator fand oder vom Blatt ablas. Ein Kleid stellte er als >Wolkenfetzen auf Marmorgrund< vor. Ein anderes waren >fließende Nixenumrisse<. Das Kleid der dritten jungen Frau sah er als >subtile Faltenlabyrinthe mit hingehauchtem Perlmuttschimmer<. Es war eine bodenlange Abendrobe aus beigefarbener Seidenduchesse mit extrahoher Taille. Dazu ein asymmetrisches Top aus Chiffon und eine überlange Perlenkette. Alles sehr blumig beschrieben. Anfangs belächelte Rex die Ausdrücke, die der Moderator für Stoffe, Farben und Schnitte fand, aber er war es gewöhnt, genau zuzuhören. Und nach einer Weile fand er die Beschreib-ungen durchaus zutreffend, wenn er auch so seine Schwierigkeiten mit den Fachbegriffen der Couturiers hatte. Er hörte mit steigendem Vergnügen zu.
    Nun betrat eine blonde Frau, die Einzige hier mit dieser Haarfarbe, das Parkett in einem schwarzen Haut-Couture-Kleid aus Seidenduchesse mit halbtransparenter Gitterkorsage.
    Es kamen noch viele Damen in den verschiedensten Kleidern. Selbstverständlich war jedes ein Unikat. Zwei gleiche Kleider hätten sofort einen Krieg heraufbeschworen und den verantwortlichen Couturier unverzüglich und endgültig aus der Szene gefeuert.
    Am Schluss versprach der Moderator mit erhobener Stimme >transparente Romantik, feminine Unergründlichkeit und ein erotisierendes Pathos, das von innen kommt<. Diesen Satz hätte Rex sich am liebsten aufgeschrieben. Nach einer Pause, in der die Spannung stieg, schritt die transparente Romantik in femininer Unergründlichkeit mit erotisierendem Pathos die Treppe herab. Die Trägerin und ihr Kleid hielten, was der Moderator versprochen hatte. Das zweiteilige Ensemble bestand aus einem schwarzen Satinkleid mit asymmetrischen Läufen und einer schwarzen Gaze-Jacke mit weiten Puffärmeln und Rüschenkragen. Die Farbe ihrer Frisur wurde als >Feria Color 60 Crystal Brown< vorgestellt. Rex Palmer hätte am liebsten darauf gewettet: Feria Color 60 Crystal Brown wird ab morgen die Farbe des ganzen Landes sein. Die junge Frau mit der Feriafarbe trug dunkelblaue High Heels mit radikal abgeschrägten Spitzen, gefertigt aus Pythonleder und gehalten von schmalen Riemchen, die bis hinauf zu den Fesseln reichten. Kein Schmuck. Die Dame, die es trug, war selbstverständlich Julia, 29jährige Gattin von Dr. Armin Getti.
    Man schaute, genoss und schwieg. Julias Auftreten war der Höhepunkt. Damit war die Vorstellung beendet. Der Moderator legte sein Mikrofon beiseite, die Scheinwerfer erloschen und aus den Lautsprechern klang dezente Musik zum Träumen von Albinoni.
    Rex schloss die Augen und steckte seine Hände in die Taschen. Nur die Daumen schauten heraus. Ein grässlicher Anblick, wie man hier fand, aber Kriminalhauptkommissar Palmer durfte sich das erlauben. Auch hier, denn jeder wusste: Das war seine Nachdenkhaltung. Er rekapitulierte die transparente Romantik, die feminine Unergründlichkeit und das erotisierende Pathos. So also beschrieb
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