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Klassenfahrt zur Hexenburg

Klassenfahrt zur Hexenburg

Titel: Klassenfahrt zur Hexenburg
Autoren: Stefan Wolf
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Mademoiselle Gaby und Monsieur Tim angenehmen
Aufenthalt.
    „Dazu würde, was mich betrifft,
als Auftakt ein Fischessen beitragen“, meinte Tim. „Danach gelüstet es mich.
Und Fische soll’s doch im Mittelmeer geben. Ich denke da an Wolfsbarsch,
Meerbarbe, Makrele, Drachenkopf, Rötling, Knurrhahn und Tintenfisch. Gebraten
und genau in der Reihenfolge: Das wäre jetzt köstlich.“
    Müller lächelte wie jemand, der
gern mitkäme, aber leider noch Dienst hat.
    „Unser Restaurant Spiegelsaal“,
sagte er vorsichtig, „öffnet in anderthalb Stunden.“
    „So lange halten wir’s aus“,
bestimmte Gaby und rückte die hochgeschobene Sonnenbrille auf ihrer Goldmähne
zurecht.
    „Ich nicht“, widersprach Tim.
„Infolge dauernden Rumreisens ist mein Ernährungszustand abgesunken. Hier ist
ein Loch.“ Er drückte die Faust auf den Magen. „Liebste Gaby, komm mit mir zum
Strand. Wir fangen eine Muräne und braten sie am Spieß.“
    Gaby sah Monsieur Müller an.
„Bevor mein Freund Meeresschaden anrichtet, begleite ich ihn lieber in ein
Fischrestaurant. Welches können Sie uns empfehlen? Vielleicht ein japanisches?“
    Müller strich über sein
Lippenbärtchen. Er hatte selbst eine Tochter in Gabys Alter — mit dazu
passendem Freund. Unter seiner unpersönlichen Miene freute er sich über die
beiden Hotelgäste. Wie erfrischend, mal was anderes zu sehen als den hochnäsigen
Geldadel oder die affigen Schickeria-Typen mit ihrem Getue.
    „Man isst vorzüglich bei Haito.
Aber...“
    „Wo finden wir das?“, fragte
Tim, als Müller zögerte. „Ich überlege gerade, wie ich euch den Weg am besten
beschreibe. Es liegt nämlich außerhalb. Ihr geht am Strand entlang in
Richtung...“
    Kann nicht schwer zu finden
sein, dachte Gaby. Westwärts. Dann immer geradeaus. Warum beschreibt er so
stockend?
    „Haito Nagusaki“, erklärte
Müller, „ist Japaner und hat sein Restaurant vor fünf Jahren eröffnet. Es ist ein
Fugu-Restaurant. Haito hat ein Fugu-Diplom.“
    „Ein...? Was hat er?“, fragte
Tim.
    Müller gestattete sich einen
zweifelnden Zug uni den Mund.
    „Nun, Fugu ist sicherlich nicht
jedermanns Sache. Aber wir haben hier sehr häufig Touristen aus Japan. Die
mögen Fugu, einen japanischen Speisefisch. Es ist nicht ungefährlich, ihn zu
speisen. Euch würde ich empfehlen, nehmt: Wolfsbarsch, Drachenkopf, Tintenfisch
oder Lotte.“ Er lächelte.
    „Gefährlich?“ Gabys Neugier
erwachte. „Wird der Fisch etwa lebend serviert? Beißt er noch um sich?“
    „Das nicht. Aber Fugu kann
giftig sein. Ich habe mich mit unserem Chefkoch darüber unterhalten. Es verhält
sich so: In einigen Organen des Fugu, besonders in der Leber und in den
Eierstöcken des Weibchens, befinden sich hohe Ansammlungen von Tretrodotoxin —
einem schnell wirkenden Gift. Diese Organe müssen vorsichtig und ohne sie auch
nur anzuritzen entfernt werden. Ein falsch zerlegter Fugu hätte schreckliche,
nämlich tödliche Folgen. Ein Gramm dieses Giftes genügt, um 1000 Menschen zu töten.
Man stirbt innerhalb von 30 Minuten.“
    „Und so was wird gegessen?“,
rief Gaby.
    Müller nickte. „Zumindest von
Japanern. Millionen riskieren jedes Jahr ihr Leben, um diesen angeblich so
köstlichen Fisch zu verzehren. Wie ich hörte, kommen jetzt auch Europäer auf
den Geschmack. Hier im Ort gibt es schon zahlreiche Fans. Die schwören auf
Fugu. Weltweit besitzen 76 000 japanische Köche das sogenannte Fugu-Diplom. Ein
solcher Koch garantiert, dass man Fugu ohne Reue verspeisen kann. Allerdings —
auch ein Koch kann sich irren. Pro Jahr, habe ich mir sagen lassen, sterben 35
Menschen nach dem Genuss von Fugu.“
    „Jetzt weiß ich wenigstens,
warum wir den Hering so schätzen“, meinte Tim. „Fugu werden wir nicht
bestellen. Aber das Lokal sehen wir uns an.“
    Gaby nickte und hob schon den
Fuß in Richtung Ausgang. „Da wäre noch etwas“, sagte Empfangschef Müller,
„wovor ich euch warnen möchte. Weil ihr den Weg sicherlich zu Fuß macht, nicht
wahr?“
    „Laufen können wir ganz gut!“,
bestätigte Gaby. „Wir sind nämlich recht sportlich.“
    „Ihr werdet an dem Lager
vorbeikommen“, sagte Müller angewidert. „Es nennt sich zwar Club, damit unser
Fremdenverkehr keine Einbuße erleidet, ist aber nichts anderes als ein Lager
für straffällige Jugendliche. Ja, tatsächlich! Unweit unserer schönen Stadt hat
man das errichtet. Eine Kateridee der Politiker in Paris. Aber es ist nun mal
passiert. Straffällige Jugendliche aus den
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