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Kismet Knight

Titel: Kismet Knight
Autoren: Lynda Hilburn
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besessen.
    Ich lehnte mich zurück und gönnte mir noch eine Weile den Anblick von Franks Lippen, während ich mein Weinglas leerte. Kurz vor dem Ende des Films jedoch schaltete ich den Fernseher aus. Ich wollte nicht sehen, wie dieser schöne Mund im Sonnenlicht verbrannte.
    Plötzlich fiel mir wieder ein, wie ich den Film zum letzten Mal gesehen hatte, im College und zusammen mit meinen Kommilitoninnen, wie ich sie am Ende hatte schreien hören, als sie den Vampir anfeuerten, er sollte sich befreien und davonfliegen. Und danach hatten sie alle darüber gesprochen, wie viel Spaß es doch machen würde, den düsteren Fremden, der nachts ans Fenster klopfte, herein- und in ihr Bett zu bitten.
    Hm. Vampire als der Stoff, aus dem erotische Träume sind. Als ich damals an diesem längst vergangenen Abend meine Mitbewohnerinnen hatte reden hören, war die künftige Psychologin in mir zwar fasziniert gewesen, aber Vampire hatten für mich in die Horrorfilm- und Comic-Ecke gehört. Ich war einfach nicht der Typ Mensch, der an Paranormales oder Mystisches glaubte. Ich hatte festgestellt, dass es für die meisten Dinge vollkommen prosaische Erklärungen gab.
    Natürlich hatte ich seither das Seminar in jungianischer Psychologie abgeschlossen, das im Graduiertenstudium Pflicht gewesen war, und wusste somit auch über Jungs Synchronizitätstheorie Bescheid – die Theorie, dass es eine Verbindung zwischen der inneren und der äußeren Realität gibt, auf der Grundlage der Vorstellung von einem kollektiven Unbewussten. Jung zufolge gibt es keine Zufälligkeiten, und das Universum folgt den von einer unbekannten Intelligenz festgelegten Regeln. Auf einer abstrakten Ebene konnte ich mich dem tatsächlich anschließen. Und ja, es war wirklich seltsam, dass die vollkommen eigenständigen Erfahrungen, die ich im Augenblick machte, oberflächlich betrachtet miteinander verknüpft zu sein schienen. Aber auf der metaphysischen Ebene die kosmischen Möglichkeiten zu erwägen war schließlich etwas vollkommen anderes, als an Vampire zu glauben.
    Nichtsdestoweniger – es war ein komischer Tag gewesen, den ich da hinter mir hatte.

Kapitel 2
    Ich verbrachte den größten Teil des Wochenendes über meinen vampirischen Recherchen. Es stellte sich heraus, dass es auf der Welt Tausende von Leuten gab, die sich selbst zu Vampiren erklärt hatten. Was ich auf manchen dieser Websites las, gab mir eine klarere Vorstellung davon, welches Ausmaß diese Illusion annehmen konnte. Meist waren es einfach nur traurige Geschichten – junge Leute auf der Suche nach Zugehörigkeit, Lebenssinn und Liebe in einer Welt, in der sie nichts von alldem gefunden hatten. Manche fühlten sich offenbar einfach von der Fremdartigkeit und Gefahr und den verbotenen Früchten angezogen. Und dann gab es noch die wirklich verletzten Seelen, diejenigen, bei denen die Grenze zwischen Rollenspiel und Psychose überschritten war.
    Am Sonntagnachmittag hatte ich mir eine Vorgehensweise zurechtgelegt und war geradezu aufgeregt. Es war schon eine ganze Weile her, seit meine Arbeit mich mit Leidenschaft erfüllt hatte. Ich würde Vampirtherapeutin werden. Na ja, Möchtegernvampirtherapeutin. Ich würde in allen lokalen Zeitungen Anzeigen schalten und sowohl Einzel- als auch Gruppentherapien für Vampire anbieten.
    Ja, dachte ich, während ich mir in Gedanken die Hände rieb, dies schrie geradezu »Bestseller«!
    Ich hatte eine nagelneue psychische Störung gefunden, und dieMischung war genau richtig – gerade genug wirkliche Krankheit und dazu das Element von sensationellem Okkultismus –, um den Hit beinahe zu garantieren. Vielleicht würde ich sogar bei Oprah auftreten.
    Während ich in Tagträumen von meiner künftigen Rolle als Bestsellerautorin schwelgte, begann mein Magen ärgerlich zu knurren. Wann hatte ich eigentlich zum letzten Mal irgendetwas zu mir genommen? Ich neigte dazu, Alltagsdetails wie die Nahrungsaufnahme einfach zu vergessen, und so ging ich jetzt in die Küche, um nach etwas Essbarem zu suchen. Wie üblich befanden sich in meinem Kühlschrank jede Menge alter Pappschachteln aus Schnellrestaurants, deren Inhalt oft nicht mehr zu identifizieren war; dazu kamen Wasserflaschen und etwas, das vermutlich Käse war. Meine Küche erinnerte mich unweigerlich daran, dass ich im Berufsleben außergewöhnlich organisiert und methodisch war, in allen anderen Bereichen aber das genaue Gegenteil davon.
    Einkaufen kam für mich einer Tortur gleich. Ich hatte dabei nicht
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