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Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist

Titel: Kinsey Millhone 07 - Hoher Einsatz - G wie Galgenfrist
Autoren: Sue Grafton
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Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Ich war bemüht gewesen, mir nichts auszumalen, aber jetzt verschlug es mir die Sprache. Das ganze Apartment gab einem das Gefühl, auf einem Schiff zu sein. Die Wände bestanden aus poliertem Teak- und Eichenholz, mit Regalen und kleinen, gemütlichen Nischen auf beiden Seiten. Die Kochnische war rechts, wo sie auch früher gewesen war, sah jetzt aber aus wie eine Kombüse mit winzigem Herd und Kühlschrank. Hinzugekommen waren ein Mikrowellenherd und eine Abfallpresse. Eingepasst in einen Winkel neben der Küche stand eine Kombination aus Waschmaschine und Trockner, und daneben lag ein winziges Badezimmer.
    Im Wohnbereich bildete das in einen Fenstererker eingebaute Sofa mit zwei Sesseln aus königsblauem Segeltuch eine gemütliche Sitzgruppe. Henry führte mir kurz vor, wie man das Sofa mit ein paar Handgriffen in ein Gästebett verwandeln konnte. Die seitliche Länge des Wohnraums betrug ungefähr viereinhalb Meter, wie vor der Explosion, doch jetzt gab es oben, wo früher mein Speicher gewesen war, einen Schlafraum, den man über eine winzige Wendeltreppe erreichte. In der alten Behausung hatte ich gewöhnlich, nackt in eine Steppdecke gewickelt, auf der Couch geschlafen. Jetzt bekam ich ein regelrechtes Schlafzimmer.
    Ich schlängelte mich die Treppe hinauf und betrachtete staunend das Doppelbett mit den Schubkästen darunter. Über dem Bett hatte man durch die Zimmerdecke und durch das Dach einen Schacht getrieben, der mit einer klaren Plexiglashaube abgedeckt war, durch die gebündeltes Licht auf die blau-weiße Patchwork-Bettdecke fiel. Schräge Fenster blickten an einer Seite auf den Ozean und an der anderen zu den Bergen hinaus. Ein mit Zedernholz verkleideter Schrankraum mit Kleiderstange, Haken für alles Mögliche, Schuhhaltern und vom Boden bis zur Decke reichenden Schubfächern bildete die Rückwand.
    Neben dem Schlafraum befand sich ein winziges Badezimmer. Die Wanne war im Boden versenkt, mit eingebauter Dusche. Vor einem Fenster in Wannenhöhe standen üppige Grünpflanzen auf einem hölzernen Fenstersims. Ich konnte inmitten der Baumwipfel baden, mit Blick auf den Ozean, über dem die Wolken sich wie Seifenblasen türmten. Die Handtücher waren königsblau wie der baumwollene Zottelteppich, und sogar die Seife in der weißen Porzellanschale auf dem runden Messingbecken war blau.
    Als die Besichtigung beendet war, drehte ich mich um und starrte Henry sprachlos an — eine Reaktion, über die er laut lachen musste, hell begeistert von sich selbst, weil ihm sein Plan so perfekt gelungen war. Den Tränen nahe, legte ich die Stirn an seine Brust, während er mir verlegen den Rücken tätschelte. Einen besseren Freund als ihn kann ich mir nicht wünschen.
    Bald darauf ließ er mich allein, und ich schaute in jedes Schränkchen, in jede Schublade, atmete den Geruch des Holzes ein und lauschte auf das geisterhafte Ächzen des Windes in den Dachsparren. Ich brauchte fünfzehn Minuten, um mit meiner ganzen Habe umzuziehen. Das meiste, was ich besessen hatte, war ein Opfer der Bombe geworden, die meine alte Bleibe dem Erdboden gleichgemacht hatte. Mein >Kleid für alle Gelegenheiten< hatte überlebt, zusammen mit einer Lieblingsweste und dem Hängefarn, den Henry mir zu Weihnachten geschenkt hatte. Alles andere war von Schwarzpulver, Sprengkapseln und Schrapnellen atomisiert worden. Vom Geld der Versicherung hatte ich mir ein paar Klamotten gekauft — Jeans und Jogginganzüge — und den Rest auf ein Festkonto gelegt, wo es fröhlich Zinsen sammelte.
    Um acht Uhr fünfundvierzig schloss ich ab, schaute kurz bei Henry hinein und stammelte ein zweites Dankeschön; er winkte nur lässig ab. Dann machte ich mich auf den Weg ins Büro, eine schnelle Zehn-Minuten-Fahrt in die Stadt. Ich wäre gern daheimgeblieben und um mein Haus herumgewandert wie ein Seekapitän, der drauf und dran ist, auf eine fantastische Reise zu gehen, aber ich konnte mich der Tatsache nicht verschließen, dass ich Rechnungen zu bezahlen hatte und auf Telefonanrufe reagieren musste.
    Ich erledigte ein paar weniger wichtige Dinge und tippte zwei Rechnungen. Der letzte Name auf der Telefonliste war der einer Mrs. Clyde Gersh; sie hatte am Abend vorher auf meinem Anrufbeantworter die Nachricht hinterlassen, ich solle mich gelegentlich mit ihr in Verbindung setzen. Ich wählte ihre Nummer und griff nach einem gelben Notizblock. Das Telefon klingelte zweimal, dann wurde abgehoben, und eine Frau meldete
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