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King of the World

King of the World

Titel: King of the World
Autoren: David Remnick
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Schwergewichtler klein und zur Zeit des Kampfs gegen Floyd Anfang vierzig, ein Fall für die Geriatrie also. Nach seinem Titelgewinn legte Patterson niemals die Arroganz des Weltmeisters im Schwergewicht an den Tag, nie die nötige Verachtung. Sein Blick war traurig und verletzbar, es war der verträumte Blick eines verschmähten Teenagers; sein Körper war sehnig wie der eines Straßenarbeiters, es war ein völlig
plausibler
Körper, der jedoch keine Unbesiegbarkeit ausstrahlte.
    Floyd war bestenfalls ein guter Halbschwergewichtler, den man für die Schaukampfliga gepäppelt hatte. Zur Zeit des Kampfs brachte Liston achtundneunzig Kilo auf die Waage, Patterson dagegen nur sechsundachtzig. Wenn im Boxen beide Männer mehr oder weniger über die gleichen Fertigkeiten verfügen, geben zumeist die Gesetze der Physik den Ausschlag, und wie bei einem Frontalzusammenstoßzweier Fahrzeuge liegt die größere Wucht bei der größeren Masse, dem schwereren Mann, dem Laster. Auch lag es in Pattersons Natur, noch kleiner zu werden. »Wenn wir ihn auf Diät setzen«, sagte Dan Florio, sein Trainer, »haben wir bald einen Mittelgewichtler.«
    Patterson hatte seinen Titel nie gegen einen Kämpfer verteidigt, der auch nur ansatzweise so stark wie Liston war. D’Amato hatte ihm Leute wie Pete Rademacher besorgt, ein Olympiateilnehmer, für den es der erste Profikampf war, und Brian London, einer jener knorrigen Engländer, denen das Blut bächeweise über die blasse Brust läuft. Der vielleicht bedeutendste von Pattersons Gegnern vor Liston war ein gewisser Roy Harris aus Cut and Shoot in Texas. Wie die Zeitungen gern betonten (gern, weil der Kampf als solcher bis auf eine gewisse Südstaatenexotik wenig versprach), veranstaltete Harris während seiner Jugend Ringkämpfe mit Alligatoren in einem Sumpf namens Big Thicket, der sich um sein Haus erstreckte. Auch war er verwandt mit einem Onkel Cleve, und seine Vettern hießen Hominy, Coon und Armadillo (»Maisbrei«, »Waschbär« und »Gürteltier«). Kurz, Harris war reine PR , und dennoch brauchte Patterson dreizehn Runden. Liston fertigte Harris in einer ab.
    Sosehr Patterson also das Siegerszenario im Kopf abspulte, sosehr er trainierte, er war auf eine Niederlage vorbereitet. Weder mental noch physisch verfügte er über einen besonderen Vorteil. Auch hatte er schon gegen weniger bedeutende Männer als Liston verloren – erst 1954 gegen Joey Maxim, dann 1959, als Weltmeister, gegen Ingemar Johansson. Anders als bei den meisten Champions hatte ihn das nicht mit Wut erfüllt, sondern mit Depressionen, mit denen er sich längere Zeit zurückzog. Nach der Niederlage gegen Maxim – eine umstrittene Entscheidung – schloß er sich inseine Wohnung ein und blieb dort mehrere Tage. Von Johansson war er noch mehr gedemütigt worden, weil die Bühne viel besser einsehbar war. Bei seiner Titelverteidigung im Yankee Stadium war er immer wieder niedergeschlagen worden wie bei einer besonders gnadenlosen Straßenprügelei. Patterson war ein schneller Kämpfer, doch gegen Johansson kam das nie so recht zur Geltung. Er wurde starr, und Johansson, ein stämmiger Schwede mit mäßigem Talent, ließ seinen »toonder and lightning« (»Donner und Blitz«), wie sein Lager das provozierend nannte, über ihn hereinbrechen. Nach dem ersten Niederschlag stand Floyd von der Matte auf und machte sich träumerisch auf den Weg in seine Ecke. Johansson verließ die neutrale Ecke, griff Patterson aus dessen totem Winkel an und schlug ihn erneut nieder; der Angriff sah kaum nach Boxen aus, sondern eher, als würde ein wütender Betrunkener einem anderen den Schädel mit einer Bierflasche bearbeiten. Nach dem vierten Niederschlag starrte Patterson, während er auf der Matte herumkroch, durch die Seile, und sein Blick fiel auf John Wayne, der am Ring saß und ihn ebenfalls anstarrte, und dieser Blickkontakt mit dem Schauspieler war Floyd peinlich. Peinlichkeit war Pattersons kennzeichnendes Gefühl, und nie war es deutlicher als da. Der Kampf war noch gar nicht vorbei, als er schon überlegte, ob alles, wofür er gekämpft hatte – sein Titel, seine Zugehörigkeit zu einer Welt, die größer war als die, in der er aufgewachsen war –, ob all das nun auf dem Spiel stand. Hatte er überhaupt je Anerkennung verdient, gehörte er überhaupt dazu? Was würde John Wayne von ihm denken? Der Schiedsrichter Ruby Goldstein beendete den Kampf, nachdem Patterson zum siebten Mal zu Boden gegangen war.
    Floyd wollte sich
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