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King of the World

King of the World

Titel: King of the World
Autoren: David Remnick
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müßte sich auf sein Talent verlassen, seine Schnelligkeit.
    Patterson wußte, daß er sich vorsehen mußte: Listons linker Haken war so gewaltig wie bei anderen der Cross; in einem Kampf hatte Liston einen schwerfälligen Herausforderer namens Wayne Bethea mit seinem Jab so übel zugerichtet, daß Betheas Betreuer ihren Mann am Ende des Kampfs in die Kabine schleiften und ihm dort sieben Zähne aus dem Mundschutz klaubten. Aus einem Ohr rann Blut. Der Kampf hatte achtundfünfzig Sekunden gedauert. Patterson mußte also kühlen Kopf bewahren. Er würde boxen, Listons Gerade unterlaufen und gegen den Körper schlagen.
    »Ich hab wirklich gedacht, ich könnte Liston schlagen«, sagte Patterson mir beinahe vierzig Jahre später. »Sogar
jetzt
noch denke ich daran und meine, ich könnte irgendwie gewinnen. Komisch, was?«
    Doch alles sprach gegen Patterson. Cus D’Amato, sein Mentor, seit er mit vierzehn mit Boxen angefangen hatte, hatte Jahre damit verbracht, diesem Kampf auszuweichen, und Patterson weniger harte Gegner besorgt. D’Amato, der aussah wie eine Kreuzung aus Kaiser Hadrian und Jimmy Cagney, benutzte seine Autorität und sein Ansehen bei den Kolumnisten dazu, tugendhafte Erklärungen über Listons Verbindungen zur Mafia abzugeben und wie einer vom Sozialamt von der Notwendigkeit einer Rehabilitation zu sprechen, damit Sonny sich als zivilisiert erweisen und es auch bleiben könne, falls er eine Chance auf den Titel haben wolle. Doch Patterson wußte nur zu gut, daß D’Amato ihm nur geringe Chancen gegen Liston gab. Und damit stand D’Amato nicht allein. Einige der Vorgänger Pattersons als Weltmeister, darunter Rocky Marciano und Joe Louis, kamen zum Kampf nach Chicago, und sie waren noch nichtganz dem Flugzeug entstiegen, als sie den Reportern schon erzählten, der Herausforderer sei zu stark, zu brutal, um gegen Patterson zu verlieren.
    Natürlich drückte fast jeder Floyd die Daumen, doch diese Unterstützung war reine Sentimentalität: Die Journalisten mochten Patterson, weil er immer so kooperativ war, so offen und höflich; die National Association for the Advancement of Coloured People stand hinter Patterson, weil er für die Bürgerrechte war, für die Integration, für Reformen, ein Gentleman, während Liston, der Ex-Sträfling, das vermittelte, was eine Zeitung nach der anderen »ein schlechtes Beispiel für die Jugend Amerikas« nannte. Jackie Robinsons Prophezeiung, Patterson werde Liston »zerstören«, hatte weniger mit Boxverstand als mit politischen Hoffnungen zu tun.
    Patterson war wie immer bestrebt, fair zu sein, gefällig, das Richtige zu tun. Liston war lange als der große Herausforderer geführt worden. Wohl wahr, er hatte wegen bewaffneten Raubüberfalls gesessen, doch er hatte seine Strafe abgebüßt und verdiente eine Chance. Patterson leistete seinen Beitrag für die Sache der sozialen Mobilität. »Liston hat für seine Verbrechen bezahlt«, sagte er. »Sollte er den Titel gewinnen, dann werden diese Eigenschaften zum Vorschein kommen. Ich glaube, dann werden wir einen völlig neuen und veränderten Liston sehen.«
    Wenigstens vorerst zeigte sich Liston davon nicht positiv beeindruckt. »Den würd ich am liebsten mit dem Laster überfahren«, sagte er.
    Und so traf Floyd, die Niederlage vor Augen, seine Vorbereitungen. Sorgfältig packte er seinen Aktenkoffer und eine Reisetasche mit Kleidern, Essen und einer Verkleidung – einem spezialangefertigten Vollbart. Wenn er siegte, würde er sich natürlich der Presse stellen und anschließend insHotel zurückgehen und eine Siegerparty geben. Wenn nicht, würde er den Comiskey Park mit seinem falschen Bart verlassen und noch während der Nacht in sein Trainingslager nördlich von New York fahren.
    So war es immer bei Floyd. Die Angst, vor allem die Angst vor einer Niederlage, zerrte an ihm. Er hatte das Recht, sich den härtesten Mann auf dem Erdenrund zu nennen, aber so recht glaubte er nicht daran. Er war Champion in dem Sinn, wie Chester A. Arthur Präsident gewesen war. »Ich bin kein
großer
Champion«, sagte er häufig, »ich bin nur ein Champion.« Manche fragten sich, ob Floyd übersensibel sei, ein Neurotiker in Shorts. Einige der englischen Reporter nannten ihn schon
Freud
Patterson.
    Er hatte allen Grund, an sich zu zweifeln. Bislang hatte Patterson immer Glück gehabt; im November 1956 hatte er den Titel gegen Archie Moore gewonnen. Moore war ein äußerst cleverer Kämpfer gewesen, aber, wie Patterson, für einen
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