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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers
Autoren: Julia Kröhn
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»Du bist doch gekommen, um mich zu befreien, nicht wahr? Du weißt doch – ich war nur ihr Sklave, mir blieb keine andere Wahl, als zu tun, was immer sie wollte.«
    »Doch«, sagte Mathilda kalt, »du hattest die Wahl. Du hättest mir helfen können, aber du hast es nicht getan.«
    Seine Lippen kämpften um ein einnehmendes Lächeln, sein Blick jedoch blieb stechend. »Mir hat auch niemand geholfen.« Er rang seine Hände. »Wie soll denn einer, der nichts hat, etwas geben können?«
    Mathildas Trauer schwand, zurück blieb Überdruss.
    »Du bist ein Blatt im Wind«, zischte sie, »geh in ein Kloster, finde deinen Frieden, aber bleib mir fern! Und erspar es uns beiden, dass du vor mir kniest. Nichts, was du tust, ist aufrichtig gemeint.«
    Er zögerte, stand dann aber auf und schritt von dannen.
    Mathilda trat zu einem der normannischen Krieger und wies auf Bruder Daniel. »Er war ein Sklave meiner Mutter, einstmals ein Mönch. Ich bitte euch: Bringt ihn fort von hier … und seht zu, dass auch ihr nichts Schlimmes geschieht.« Sie deutete auf die alte Frau, die nun auf sie zuwankte: Eirinn. Als diese Hawisas Leichnam erblickte, brach sie in Tränen aus. »Sie hat mir zur Flucht verholfen«, sagte Mathilda, »es soll ihr gedankt sein, indem sie irgendwo einen friedlichen, behaglichen Lebensabend verbringen darf.«
    Sie hoffte das Beste für Eirinn, aber sie war zu müde, um jetzt mit ihr zu reden, und wandte sich ab. Sie wusste, die Erinnerungen an diesen Tag würden sie noch lange heimsuchen, aber jetzt wollte sie die Augen schließen, keine Toten mehr sehen und nur an den kommenden Tag denken, wenn sie zurückkehrte nach Rouen. Zurückkehrte zu Arvid.
    Der Jubel war grenzenlos, als Richard in Rouen einzog. Die Bewohner waren auf die Straßen geströmt, die Mönche ebenso wie die einfachen Bettler, die wohlhabenden Händler und die Bauern mit ihren gefurchten Gesichtern, die reichen Adeligen mitsamt ihren Dienstboten. Allesamt wussten sie schon lange um den glücklichen Ausgang der großen Schlacht an der Dives, aber erst jetzt schienen sie es auch zu glauben.
    Seit Jahren hatte der junge Graf die Hauptstadt seines Reichs nicht betreten, und in dieser Zeit, da man um sein Leben und die Zukunft der Heimat gebangt hatte, hatten viele Gerüchte um ihn die Runde gemacht: Demnach war er besonders stark, besonders klug, besonders schön. Jetzt, da man seiner ansichtig wurde, stellte sich heraus, dass er trotz allem ein Mensch aus Fleisch und Blut war, obendrein ein junger, noch unerfahrener, aber die hohen Erwartungen verklärten die Blicke, die vielen bestandenen Gefahren schürten die Hoffnung, nun werde alles gut, und das warme Sonnenlicht tat sein Übriges, um den Glauben zu stärken, sein Einzug wäre ein Wunder. Wer dennoch zweifelte, dass Gott selbst die Hände im Spiel hatte und genau dies seine Pläne für die Normandie waren, wurde von den großen Glocken von Notre-Dame eines Besseren belehrt, als sie den Dankgottesdienst einläuteten. Ihr wuchtiger Klang drang durch Mark und Bein, ihrem Takt konnte sich niemand entziehen.
    Mathilda erreichte Rouen gegen Ende des Dankgottesdienstes. Sie glaubte kurz, vom Anblick der überfüllten, freudetrunkenen Stadt überfordert zu sein, aber dann schwappte die Begeisterung auch auf sie über, der Zauber jener Stunde, die so viel Neuanfang verhieß. Seufzend schloss sie die Augen, hob ihr Gesicht ins Sonnenlicht, genoss die warmen Strahlen, die Jubelrufe und das Lied der Glocken. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie Arvid nicht weit von sich stehen. Man hatte sie zur Burg von Rouen gebracht, Richards engste Getreue und Berater kehrten eben vom Dankgottesdienst zurück. Arvid, dem es nicht erlaubt worden war, daran teilzunehmen, hatte im Hof gewartet. Die Kerkerhaft hatte ihn ausgezehrt, sein Haar war grauer geworden, aber seine Wangen waren wie die aller anderen vor freudiger Erregung gerötet.
    Mathilda stürzte auf ihn zu, umarmte ihn und spürte, wie sich das Kind in ihrem jetzt deutlich gerundeten Leib regte.
    »Du bist frei, endlich!«
    »Das habe ich nur dir zu verdanken.«
    Sie wollte nicht darauf eingehen, denn es war nicht der richtige Zeitpunkt, um von Hawisa zu erzählen.
    »Die Normandie ist auch frei«, erzählte sie. »Denk dir – Rudolf Torta ist schmählich verjagt worden.«
    Arvid nickte. »Richard hat ihn zwar nicht töten lassen, aber angedroht, es zu tun, wenn er jemals wieder die Normandie betritt.«
    »Er ist gnädig«, murmelte Mathilda.
    Sie
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