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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers
Autoren: Julia Kröhn
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der Einsicht erstickt wäre, dass ihre Entscheidung, sich ihm mit Haut und Haaren zu unterwerfen, sich nicht gelohnt hatte. Damals war sie erst recht schutzlos und ohnmächtig gewesen. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich von ihrem Kind zu trennen, das fern von ihr sicherer war, und mit dem Wissen zu leben, dass von der Liebe, die sie für Rögnvaldr zu empfinden gelernt hatte oder vielmehr, die sie sich mit ganzer Willenskraft ertrotzt hatte, weil sie sonst an ihrem Leben verzweifelt wäre, am Ende nichts übrig blieb als ein jahrelanger Kampf um die Herrschaft über die Bretagne. Nicht, weil ihr etwas an dem Land lag, sondern weil sich die verfluchte Liebe endlich lohnen musste.
    Wie aber, fragte sie sich nun, konnte Liebe sich je lohnen, wenn sie doch nicht tief verwurzelt war? Wenn sie nicht aus Zärtlichkeit geboren, sondern erzwungen worden war – in dem Augenblick, da sie gebrochen unter einem Stärkeren lag, der sich alles nahm, weil er es sich nehmen konnte?
    Rögnvaldr hatte ihr nicht nur alles genommen, die Ehre, den Stolz, die Jungfräulichkeit, er hatte ihr auch die Tochter geschenkt. Mathilda … Aber ein Kind versprach lediglich Zukunft, es konnte die Qualen der Vergangenheit nicht segnen.
    Flieh Mathilda, flieh!
    Irgendwann floh sie selbst. Vor den Erinnerungen, die sie heimsuchten, vor dem Wunsch, die Tochter in ein Leben zu zwingen, das diese nicht wollte, vor der Einsicht, dass sie selbst längst aufgegeben hatte.
    Hawisa kehrte zum Wall zurück in dem Glauben, ihn verwaist vorzufinden, aber Dökkur erwartete sie im Hof. Seine Augen waren blind, und er sah nicht, wie erschöpft sie war. Seine Seele war blind, und er sah nicht, wie gebrochen sie war. Stattdessen berichtete er, was geschehen war. Harald Blauzahn hatte die Normandie mit seinen Truppen wieder verlassen, weil er in Dänemark gebraucht wurde. Turmod und seine Getreuen waren immer noch da – allerdings hatten sie beim gescheiterten Versuch, das Frankenreich heimzusuchen, große Verluste erlitten.
    Hawisa hörte gar nicht richtig zu. »Die Sache ist verloren«, murmelte sie.
    »Was redest du, Weib?«
    »Die Sache ist verloren«, wiederholte sie. »Was zählt, wer Mathildas Vater war, wenn sie einen anderen Mann liebt. Mir hat Mathedai auch nichts mehr bedeutet, als ich mich Rögnvaldr unterwarf.«
    »Bist du verrückt geworden? Seit Jahren …«
    »Seit Jahren«, fiel sie ihm ins Wort, »behandelst du mich, als wäre ich die Witwe deines Bruders. Aber ich war nicht seine Witwe, denn ich war nicht seine Frau. Ich war seine Hure. Um eine Frau wirbt man, er hat nie um mich geworben.«
    Dökkur widersprach ihr nicht länger. Stein für Stein hatte sie das Gebäude an Lügen abgetragen, nun versetzte er ihm selbst mit wackliger Hand einen letzten Stoß. »Ich kann mich erinnern, denn ich habe alles gesehen«, höhnte er plötzlich mit giftiger Stimme. »An dem Tag, da du in Rögnvaldrs Hände fielst, hatte ich noch Augen. Seine Hände waren so groß und hart, und dein Körper so zart und klein.«
    Es war etwas anderes, sich selbst die Wahrheit einzugestehen, als sie aus fremdem Mund zu hören. »Sei still!«, fuhr sie ihn an.
    Aber Dökkur war nicht still. So lange hatte er mit seiner Blindheit leben müssen und damit, dass er sich mit ihr verbünden musste. Jetzt wollte er nicht darauf verzichten, sich dafür zu rächen. »Weißt du eigentlich, dass wir Männer Wetten abgeschlossen haben? Ob er dich uns später überlässt. Und ob du ihn überhaupt überleben würdest.«
    »Er hat mich euch nicht überlassen.«
    »Weil du dich nicht gegen ihn gewehrt hast, sondern dich ihm unterworfen hast. Weil du um dein Leben gebettelt und auf seine Gnade gehofft hast. Du warst sehr schön, doch du warst ohne Stolz. Die Frauen meines Volkes sterben lieber, als geschändet zu werden.«
    »Du bist mir all die Jahre nachgekrochen und redest von Stolz?«
    »Zumindest habe ich nie vorgegeben, dass ich dich mag. Ich habe dich immer verachtet, und du hast es immer gewusst. Ich habe dich nicht belogen – du dich selbst schon. Du hast dir eingeredet, du würdest meinen Bruder Rögnvaldr lieben. Und sieh, ich weiß nicht viel von der Liebe, jedoch, dass eine Frau, die einmal blutend, stöhnend, verängstigt und verweint vor einem Mann gelegen hat, verklebt von seinem Samen, geschunden ob seiner Rohheit, diesen niemals lieben kann.«
    Er sagte nichts, was sie nicht selbst wusste. Hören wollte sie es trotzdem nicht. Mit einem Aufschrei ging Hawisa auf
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