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Keltenfluch

Keltenfluch

Titel: Keltenfluch
Autoren: Jason Dark
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Magie dumpfe Urstände feierte. Er hatte darin herumgestochert wie in einem Wespennest. Er hatte den Rat nicht annehmen wollen.
    Sein Forscherdrang war nicht zu stoppen gewesen, und nun hatte ihm die Gegenseite gezeigt, wozu sie fähig war. Ein gebrochener Unterkiefer. Die andere Seite hatte seine Mutter als Hexe eingestuft.
    Es hatte ihnen nicht gereicht, ihr den Kopf abzuschneiden, nein, sie wollten ganz sichergehen und hatten ihr den Unterkiefer gebrochen, um postmortale Bannflüche gegen die Lebenden zu erschweren.
    Der alte Ritus, der Kannibalismus, es gab ihn noch. Schon in den Schriften der alten Griechen war darüber berichtet worden. So hatte Strabo geschrieben, dass die Söhne ihre toten Väter verzehrten, und zahlreiche Keltenfunde hatten dies bestätigt.
    Und er, Tony, war Experte. Nicht grundlos hatte er das Buch über die Bestattungsriten der Kelten geschrieben. Nun aber hatte ihn ihr Fluch erreicht, der noch über den Tod hinaus vorhanden war. Das zu begreifen, fiel ihm schwer, aber er musste sich damit abfinden. Immer mehr fühlte er sich wie ein Zauberlehrling, dem das Können des Meisters über den Kopf gewachsen war.
    Tony ließ den Kopf seiner Mutter auf dem Bett stehen. Dass er nicht noch Stunden hier im Schlafzimmer verbringen konnte, war ihm klar. Er musste aufstehen und gehen, aber er strich noch einmal liebevoll über das Gesicht der toten Frau hinweg, und es machte ihm dabei nichts aus, dass er das Blut verschmierte.
    »Mum«, flüsterte Tony. »Für dich ist es das Ende gewesen, aber nicht für mich, das schwöre ich dir. Ich mache weiter. Ich werde mich nicht beugen. Ich bleibe am Ball, das kann ich dir versprechen. Ich werde dich rächen, auch wenn ich selbst dabei draufgehen sollte. Ich weiß, dass es einen Fluch gibt, den aber werde ich stoppen, vernichten, brechen, und ich habe die Kraft dazu…«
    Bei den letzten Worten versagte ihm die Stimme. Er musste einfach weinen und spürte zugleich einen wahnsinnigen Zorn und Hass in sich hochsteigen. Er stand dicht davor, zu schreien und Amok zu laufen, doch er riss sich zusammen.
    Dann drückte er sich hoch. Er stand steif auf. Er zitterte. Die Umgebung verschwamm vor seinen Augen. Wie jemand, der eine schwere Last zu tragen hat, ging er auf die Tür zu, ohne sich noch einmal umzudrehen. Er würde seine Mutter stets in Erinnerung behalten und versuchen, sie sich als lebende Person vorzustellen.
    Im Flur musste er sich gegen die Wand lehnen, um sich etwas von seiner Schwäche zu erholen. Irgendwann ging er auf die Treppe zu. Hier oben wollte Tony nicht bleiben. Er wusste nicht, was er in der nächsten Zeit unternehmen sollte. Er wollte nur seine Rache durchführen, das war alles.
    Irgendwann erreichte er das Wohnzimmer. Er machte kein Licht. Im Dunkeln tastete er sich vor und kümmerte sich nicht darum, dass er hin und wieder gegen die Ecken irgendwelcher Möbelstücke stieß. Er ließ sich in den Sessel fallen, in dem seine Mutter oft gesessen und ferngesehen hatte.
    Auf dem Weg dorthin nahm er die Flasche mit dem Whisky aus dem offenen Barfach. Er streckte seine Beine aus. Er öffnete die Flasche und trank das Zeug in kleinen Schlucken. Es machte ihn nicht eben klarer. Das wollte er auch nicht. Er hatte nur vor, sich zu betäuben. Wenigstens für einige Stunden den Schrecken vergessen, bevor er wieder damit konfrontiert wurde.
    Es ging ja weiter. Es musste weitergehen. Er konnte seine Mutter auch nicht einfach im Bett liegen lassen. Die Polizei würde kommen und ihm Fragen stellen.
    Ja - und dann? Was sollte er den Leuten sagen? Von den Kelten sprechen? Von ihren Ritualen und den Flüchen und ihrer Lust am Kannibalismus? Würden sie ihm glauben, wenn er über die Druiden sprach, über die die Menschheit so wenig wusste?
    Nein, sie würden ihm nichts glauben. Auch wenn sie ihn nicht für den Mörder der Mutter hielten, würden sie ihn einsperren und zunächst einmal Verhören unterziehen. Da würde verdammt viel Zeit vergehen, die er allerdings brauchte. Er konnte jetzt nicht aufgeben und alles liegen und stehen lassen.
    Wieder ein Schluck. Diesmal brannte der Whisky nicht mehr so stark in der Kehle. Er schloss die Augen und merkte, wie er allmählich ›wegschwamm‹. Die Gegenwart veränderte sich, sie wurde leicht, und er kam sich vor wie auf einer Wolke sitzend.
    Wieder irrten Gedanken durch Tonys Kopf. Warum bin ich nicht in Irland geblieben? Fragte er sich.
    Warum musste ich nach London kommen? Es hatte einen Grund gegeben. Es war die
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