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Keltenfluch

Keltenfluch

Titel: Keltenfluch
Autoren: Jason Dark
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einzuschalten, weil ihn der zu erwartende Schock nicht so plötzlich treffen sollte.
    Der lange Blick auf die Mitte des Betts. Dort lag seine Mutter immer, und dort lag sie auch jetzt. Für einen Moment durchströmte ihn Erleichterung. Sie war also noch da. Sie lag im Bett - und…
    Verdammt! Warum atmete sie nicht? Warum hörte er nichts? Seine Mutter war so ruhig wie eine Tote, und wieder rieselten Eiskörner über seinen Körper hinweg.
    Er atmete laut und konnte sich auch kaum beherrschen. Deshalb war kein anderes Geräusch zu hören. Zumindest redete sich Tony das ein, Ein Griff zum Schalter war nur eine kleine Bewegung. Danach würde er Gewissheit erhalten, und Tony hoffte aus tiefstem Herzen, dass seine Hoffnungen nicht enttäuscht wurden. Er streckte den Arm zur Seite. Langsam. Es dauerte viel länger als normal.
    Unter der Decke befand sich die Lampe mit den vier Armen, an deren Ende die flachen Schalen saßen. Er wusste, dass drei Birnen intakt waren; die vierte hatte schon vor Monaten ihren Geist aufgegeben und war bisher nicht ausgewechselt worden.
    Es wurde hell. Nicht strahlend, aber so, dass er alles erkennen konnte. Vor allen Dingen das Bett.
    Dort lag seine Mutter auf dem Rücken. Ihre Gestalt zeichnete sich unter dem dünnen Laken ab. Er sah auch ihre Schultern, die über dem Rand hervorragten.
    Aber er sah noch mehr. Das Blut - und…
    Es war ein Schock, wie ihn kaum ein Mensch in seinem Leben durchleiden musste. Tony allerdings bekam ihn ohne Vorwarnung präsentiert. Was er sah, wollte er nicht glauben. Es war einfach zu ungeheuerlich, aber leider eine Tatsache.
    Seiner Mutter fehlte der Kopf!
    Was Tony Hellman in diesen schrecklichen Momenten des Erkennens dachte, war für ihn nicht nachvollziehbar. In seinem Kopf war ein einziges Durcheinander entstanden. Er wünschte sich weit weg.
    Hoffte, fliegen zu können, und dabei aus dem Traum zu erwachen.
    Das alles trat nicht ein. Die Realität ließ sich nicht durch irgendwelche Wünsche beeinflussen. Tony Hellman stand einfach nur da. Er wusste nicht, ob er still war oder schrie. Er war irgendwie als Mensch aus dem normalen Leben herausgelöst worden und schaffte es nicht, über diesen Schrecken nachzudenken. Er spürte nur den harten Stoß gegen den Kopf, den er sich beigebracht hatte, als er ins Trudeln geraten und gegen die Türkante gestoßen war.
    Die Schmerzen waren der Erlöser. Sie rissen ihn aus seiner Lethargie, was ihm auch nicht passen konnte, denn wiederum wurde ihm so drastisch bewusst, was sich da im Licht der Deckenleuchte zeigte. Es war nicht zu fassen, furchtbar. Eine Frau ohne Kopf, bis beinahe zu den Schultern hin zugedeckt, lag tot im Bett. Und diese Frau war seine Mutter Gladys.
    Aber das war nicht alles. Auch das Blut konnte er nicht übersehen. Es hatte sich zum größten Teil auf dem Kopfkissen verteilt. Dort bildete es eine große Insel und war auch in das Kissen hineingesickert.
    Ein wahnsinniger Hass strömte plötzlich in ihm hoch. Nicht einmal auf den Täter, sondern auf die verdammten Fliegen, die über der Blutlache ihre Kreise zogen und manchmal auch darauf landeten.
    Endlich konnte sich Tony bewegen. Wie viel Zeit seit der Entdeckung vergangen war, konnte er nicht sagen. Seine Knie waren weich. Als er den ersten Schritt versuchte, kam er sich vor wie jemand, der das Laufen lernt.
    Und er stellte fest, dass er weinte. Nicht einmal laut. Leise, beinahe schon lautlos, aber die Tränen rannen an seinen Wangen entlang. Er war in die Lücke hineingetreten, die es zwischen Bett und Wand auf der linken Seite gab, und dann erwischte ihn der nächste Schock.
    Bisher hatte er den Kopf seiner Mutter noch nicht gesehen. Plötzlich aber entdeckte er ihn. Der Killer hatte ihn neben dem Bett auf den Boden gestellt!
    Tony Hellman ging nicht mehr weiter. Der erneute Anblick raubte ihm die Kraft. Diesmal erwischte ihn der Schwindel, und er musste sich einfach auf das Bett setzen, wobei er dicht neben dem Körper seiner Mutter hockte.
    Wieder überfiel ihn ein Weinkrampf. Seiner Mutter konnte niemand mehr helfen, sie lebte nicht mehr.
    Jemand hatte sie eiskalt umgebracht, aber nicht nur einfach getötet, sondern sie durch ein besonderes Ritual aus dem Leben gerissen.
    Tony wusste, dass er nicht ganz unschuldig daran war. Er hatte diesen Schrecken zwar nicht heraufbeschworen, doch indirekt fühlte er sich schon schuldig. Er hätte es wissen müssen, denn er hatte sich mit Dingen beschäftigt, die gefährlich werden und ausufern konnten.
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