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Keine Zeit und trotzdem fit

Titel: Keine Zeit und trotzdem fit
Autoren: Gert von Kunhardt
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heute in der Freizeit gelegentlich als »Ausgleichssport« bezeichnet wird, sollte man eher »Leistungssport« nennen. Viele gönnen ihrem Körper kaum Zeit zur Muße und Regeneration. Im Gegenteil: Sie fordern ihn selbst noch am wohlverdienten Feierabend zu sportlichen Leistungen heraus. Der Leistungsgedanke lässt sie einfach nicht los.
    Patrick Süskind sagte einmal über die hechelnden Jogger im Englischen Garten in München: »Was so hässlich aussieht, kann unmöglich gesund sein.« Und er hat Recht. Wildor Hollmann nahm gezielte Untersuchungen vor, um das Leistungsverhalten einiger Freizeitsportler Deutschlands zu erforschen. Das Ergebnis:
    95 Prozent aller Freizeitläufer überfordern sich, ohne es zu wissen
    |31| Der Milchsäurespiegel bei einem gesundheitlich optimal trainierten Menschen sollte zwischen 2 und 4 Millimol Laktat pro Liter Körperflüssigkeit liegen. Die überprüften Freizeitjogger hatten jedoch im Durchschnitt zwischen 7,5 mmol/L und 12 mmol/L im Blut. Das heißt, sie hatten sich allesamt um das Mehrfache dessen belastet, was eigentlich für sie richtig und gut gewesen wäre.
    Bei Sauerstoffmangel durch zu hohe Belastung entsteht in der Muskelzelle Milchsäure. Die Zellatmung wird beschädigt, Krebs kann entstehen.Die deutschen Jogger laufen in der Regel zu schnell. Sie bewegen sich oberhalb der aerob/anaeroben Schwelle im übersättigten Bereich, wo der Trainingseffekt nur sehr gering ist. Die meisten laufen mit einer Geschwindigkeit von 10 bis 15 Kilometer pro Stunde nach dem Motto: Je schneller, desto besser. Aber selbst die Marathon-Weltspitze trainiert nur mit einem Tempo von 10 bis 11 Kilometer pro Stunde.
    Das wirklich Erstaunliche daran ist, dass die Untersuchten nach der Überlastung einmütig erklärten, es ginge ihnen subjektiv sehr gut. Dass sie aber objektiv stark übersäuert und damit erholungsbedürftig waren, wollten sie nicht wahrhaben: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Sport muss offenbar ein bisschen wehtun, wenn er effektiv sein soll. Es ist schon erstaunlich, dass wir uns mit der Selbsteinschätzung so schwertun. Besonders Männer folgen offenbar archaischen Prinzipien und wollen schnell, stark und dynamisch wirken, auch wenn es nicht gesund ist.
    Altbischof Wilhelm Stählin schrieb bereits 1968 in einer Abhandlung über den »Sinn des Leibes«: »Es gilt als nicht recht anständig, den Leib überhaupt zu sehr zu beachten oder viel von ihm zu reden. Es wird zur Ehrensache und erhöht das Gefühl des eigenen Wertes, aus dem Körper das Letzte an Kraft und Leistung herauszuholen und ihm dabei so wenig wie möglich Beachtung zu schenken, ihm so wenig als möglich Ehre zu erweisen.« Seitdem scheint sich nicht viel verändert zu haben.
    Wenn wir Sporttreibenden empfehlen, sich nicht zu hohen |32| Belastungen auszusetzen, schauen sie uns ungläubig an. Sie verstehen uns nicht, denn sie sind sich ganz sicher, ihren Körper nicht zu überfordern. Das liegt an dem Umstand, dass sie bei ihrer Fehlbeurteilung von einem sinnvollen Mechanismus zur Schmerzunterdrückung beeinflusst werden. Mit den Milchsäureüberschüssen bei zu hoher Belastung produziert der menschliche Organismus nämlich sogenannte Beta-Endorphine, Substanzen, die euphorisieren und den Schmerz unterdrücken. Diese Sportler sind zwar in gehobener Stimmung, in Wirklichkeit aber ist ihr Körper überlastet. Professor Dr. Klaus Schüle von der Deutschen Sporthochschule Köln spricht vom »Glücksgefühl am Rande des körperlichen Zusammenbruchs«.
    Die Sporthochschule Köln wies in einer Studie nach, dass beim Leistungssport eine Steigerung von bis zu 300 Prozent der Beta-Endorphine eintritt, die eine deutlich verringerte Schmerzempfindlichkeit bewirkt. Bei der Fortsetzung des Versuchs wurden die Beta-Endorphine mit der Substanz Naloxon neutralisiert. Das hatte zur Folge, dass die »Sozialverträglichkeit« der am Versuch Beteiligten augenblicklich erlosch und eine außerordentlich aggressive Stimmung aufkam, die dazu führte, dass der Versuchsleiter, der die Schmerzempfindlichkeit nach dem Versuch testen wollte, beinahe verprügelt worden wäre.
    Richard Rost, ehemaliger Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Deutschen Sporthochschule Köln, wies darauf hin, dass jährlich über 500 Todesfälle bei der Sportausübung zu beklagen sind: Die Ursache ist vor allem körperliche Überbelastung.
    Einer meiner (Gert von Kunhardt) Brüder, der jahrelang bei bundesweiten
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