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Kein Schatten ohne Licht

Kein Schatten ohne Licht

Titel: Kein Schatten ohne Licht
Autoren: Michelle Guenter
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glorreiche Idee kommst, du müsstest dich wirklich stellen.“
    „ Ich bin in letzter Zeit zwar nicht wirklich gut gelaunt, aber ich besitze durchaus noch ein Gehirn. Natürlich werde ich mich denen nicht ausliefern!“, erwiderte Melica verärgert, nur, um Augenblicke später lautlos hinzuzufügen: „Zumindest noch nicht.“
    „ Das wäre auch selten dumm von dir. Den verschwundenen Menschen kannst du ohnehin nicht mehr helfen.“
    „ Du meinst, Luzius hat sich für jeden von ihnen bereits eine Kerbe in sein Bett geritzt? Oder machen das nur die Männer, die jede Nacht mit jemandem anderen verbringen?“
    „ Ich hab echt keine Ahnung, was du mir damit sagen willst.“ Yvonne tat etwas, das so aussah, als versuche sie, ihre Nase zu runzeln. Vielleicht hatte ihr ja niemand gesagt, dass man das eigentlich mit Stirnen machte. Allerdings musste Melica zugeben, dass Yvonnes Geste auch ziemlich interessant war. „Wenn das allerdings heißen soll, dass die Geiseln bereits tot sind, dann hast du wahrscheinlich recht. Mit ziemlicher Sicherheit sogar. Luzius ist kein Dämon wie du und ich. Um zu überleben, braucht er mehr als die paar Seelen, die wir im Laufe unseres Lebens übernehmen. Keiner der Vermissten wird jemals wieder auftauchen. Zumindest nicht lebendig.“
    „ Wahrscheinlich haben die damit sogar richtig Glück. Tot müssen sie Luzius Triumphzug über unsere Welt wenigstens nicht miterleben.“ Sie würde Yvonne nicht erzählen, wie viel sie dafür gäbe, mit einem der Entführten tauschen zu können. Sie wollte nicht länger hier sein, hier, in dieser Welt, in der jeder sein Päckchen zu tragen hatte. Nun, zumindest wollte sie nicht länger diejenige sein, die wohl das mit Abstand schwerste Päckchen auf den Rücken geschnallt bekommen hatte.
    „ Du bist viel zu verweichlicht“, riss Yvonne sie plötzlich aus ihrem Selbstmitleid.
    Melica hatte sie noch nie so sprechen gehört. Yvonnes Stimme war ganz kalt gewesen, gefühllos, unmenschlich. Sie kam jedoch nicht dazu, Yvonne auch nur eine Frage zu stellen, denn Jonathan platzte in den Raum.
    Und wie jedes Mal in der letzten Zeit sorgte sein Anblick dafür, dass Melicas Magen regelrechte Tänze vollführte. Allerdings keine Freudentänze.
    Der Mann sah so atemberaubend aus wie immer. Mit seinen funkelnden grünen Augen und den inzwischen wieder auf ursprüngliche Länge gewachsenen ordentlich frisierten Haaren hätte er auch ein gutbezahltes Model sein können. Vielleicht war er sogar eines, das würde zumindest die unfassbar teure Kleidung erklären, die der blonde Dämon mit Vorliebe trug. Und es war genau diese perfekte Ausstrahlung, die in Melica jeden Tag aufs Neue den Drang aufsteigen ließ, Jonathan durch ein naheliegendes Fenster zu stürzen. Dass sie es nicht tat, lag nicht etwa daran, dass sie ein friedliebender Dämon war. Nein, der einzige Grund, warum Jonathan kein Glas zum Zerbrechen brachte, war der Tatsache verschuldet, dass das Antrum ein verdammtes Höhlensystem weit unter der Erde darstellte und deshalb kein einziges Fenster besaß.
    Verdient hätte es Jonathan jedoch zweifellos. Wie konnte man sich dermaßen auf sein Aussehen konzentrieren, wenn man nur einen kleinen Schritt vom Ende des Lebens entfernt stand? Wie egoistisch konnte man eigentlich sein? Verfluchter, dummer, eingebildeter, selbstverliebter, sturköpfiger, schleimerischer, narzisstischer – Melica kannte eine Menge Worte, die Jonathans Wesen perfekt einfingen, doch nicht einmal im Geiste kam sie dazu, ihre Beschreibung zu beenden.
    „ Gregor lässt euch beide rufen. So wie es aussieht, hat er eine neue Tagung des Zirkels einberufen.“ Ein merkwürdiger Ausdruck lag auf Jonathans Gesicht, er sah hoffnungsvoll aus und gleichzeitig unendlich besorgt.
    „ Der Zirkel? Jetzt?“, fragte Melica. „Kündigt der alte Kerl so etwas nicht normalerweise immer Wochen im Voraus an?“
    „ Er hat mir nicht verraten, worum es geht“, antwortete Jonathan ruhig.
    Natürlich hatte Gregor das nicht getan. Seit Melica Jonathans Platz im Inneren Zirkel des Antrums eingenommen hatte, durfte dieser über keine Einzelheiten informiert werden und waren diese noch so unwichtig. Es war nun einmal verboten, Zirkelangelegenheiten an Nichtmitglieder weiterzugeben und so wichtig Gregor für die Schattenkrieger auch war – soweit Melica wusste, hielt sogar er sich an dieses Gesetz.
    Schweigend folgten Melica und Yvonne Jonathan durch die steinernen Gänge des Antrums. Erst, als Melica erkannte,
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