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Kein Fleisch macht gluecklich

Kein Fleisch macht gluecklich

Titel: Kein Fleisch macht gluecklich
Autoren: Andreas Grabolle
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einiger anderer Tiere ein natürlicher Zustand sei, verschleiere, dass wir in Wirklichkeit eine Wahl träfen. Solange wir uns dieses Systems nicht gewahr würden, glaubt Joy, gebe es keine freie Wahl.

    Was macht den Unterschied zwischen Schwein und Hund? Man kann beide essen oder es sein lassen.
    Auch ich habe meinen Hunger auf Fleisch die längste Zeit meines Lebens als etwas Natürliches betrachtet und sah keinen Grund, darüber nachzudenken. Noch mit Anfang 20 war ich bei meinen Freunden für meinen großen Appetit auf Fleisch bekannt. Womöglich war ich sogar stolz darauf. Wenn es nicht gerade um Innereien ging, war ich alles andere als wählerisch. Besonders mochte ich argentinisches Corned Beef, gepresst in goldfarbene Dosen, sowie Frühstücksfleisch, eine Art Leberkäse, ebenfalls in Dosen gezwängt. Öffnete man das Blech ringsum mit dem beigefügten Schlüssel, quoll einem, wie lecker, »delikate Jelly« entgegen. Gern briet ich mir auch am Lagerfeuer, längs auf einen Stock gespießt, die bleichen weichen Würste aus eng verschnürten Großpackungen. So geschehen vor allem im Urlaub in Neuseeland – mit fast 120 Kilogramm Fleischverbrauch pro Kopf und Jahr eine der größten Fleischesser-Nationen. Ein paar freundliche »Kiwis«, also Einheimische, überließen uns einmal beim Zelten enorme Restmengen an Fleisch und Fisch. Die fehlende Kühlmöglichkeit setzte unserer Völlerei leider ein schnelles Ende. Andere Gründe, Fleisch nicht zu essen, gab es zu dieser Zeit für mich nicht. Ich fand’s lecker. Der Begriff »politisch korrekt« existierte noch nicht, und das hätte ich damals auch sicher nicht sein wollen.
    Ökofeind
    Viele Jahre lang war alles »Ökige« für mich total uncool. In der fünften Klasse wurde von mir und anderen ein Schüler als »Bio-Bobo« verlacht, weil seine Eltern ihm ausschließlich pflanzlichen Aufstrich aufs Schulbrot gaben. Er war Vegetarier. Heute erstaunt es mich, dass bereits in den frühen Achtzigern der Begriff »Bio« kursierte, wenngleich ganz offensichtlich negativ besetzt. Ich hatte über 20 Jahre später die Gelegenheit, mich bei jenem Klassenkameraden für die Hänseleien zu entschuldigen und stolz zu berichten, dass ich nun selbst Vegetarier sei. Nur konnte sich das damalige Opfer an den Spottnamen gar nicht mehr erinnern, und Vegetarier war er auch nicht mehr.
    Nach einer kurzen Periode gesteigerten politischen Interesses bezüglich Waldsterben, Atomkraft und Wettrüsten durchlief ich eine längere moralische Lotterphase, verstärkt durch gleichermaßen postpubertäre Kumpane. Müll wurde bewusst nicht getrennt, sondern am liebsten im Lagerfeuer verbrannt. Wem unser Konsum von reichlich Dosenbier missfiel, war als Öko verdächtig. Als uns ein Bekannter wegen unseres großzügigen Verbrauchs an Bierdosen der Energievergeudung beschuldigte, fand er seine Hausschuhe erst nach langer Suche zwischen den im Restmüll entsorgten Dosen wieder.
    Mein Bio
    Erst mit Beginn meines Biologiestudiums wurde ich Ökos gegenüber toleranter. Ich traf mich sogar mit einigen von ihnen zu irischen »Volxtanzabenden« in alternativen Studierendencafés. Damals kostete ich auch erstmalig Grünkernbratlinge, gegrillt von einem jungen vegetarisch lebenden Ökopärchen. Warum man diesen den Vorzug vor echten Frikadellen geben sollte, entzog sich mir allerdings. Rein geschmacklich kann ich heute meine Skepsis noch immer nachvollziehen. Grünkernbratlinge bleiben für mich irgendwie suspekt. Sie können tatsächlich gut schmecken, dennoch haftet an ihnen für mich noch das freudlos-fade Latzhosenhafte, das ich früher mit Vegetariern verband. Im Laufe der nächsten Jahre wurde ich selbst immer »ökiger«. Mein damaliger alternativer Höhepunkt: bei einer Anti-Tropenholz-Demo mit Rastazöpfen auf dem Boden zu sitzen und zu pseudoindianischem Getrommel in das raunende Gesinge einzustimmen: »The Earth is our mother, we will take care of her«. Das war mir selbst damals schon bald zu viel des Guten.
    Angst vor Bioläden
    Wie wohl etliche andere Nichtfundamental-Ökos hatte auch ich damals in den Neunzigern beim Besuch von Bioläden das Gefühl, fremd zu sein, vielleicht sogar prüfend beobachtet zu werden, ob ich denn dazugehöre oder doch einen Lidl-Einkauf im mitgebrachten Umweltsack verberge. Überredet von einer Freundin, wurde ich trotz derlei Vorbehalte Mitglied in einer Food-Koop, bei der ich einen monatlichen Beitrag zahlte und dafür teure Biolebensmittel einkaufen durfte.
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