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Kein Entkommen

Kein Entkommen

Titel: Kein Entkommen
Autoren: Linwood Barclay
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wenn Sie glauben, dass Mr Sebastian für meine Auslagen aufgekommen ist.«
    »Und wie erklären Sie dann, dass mir genau das vom Hotel bestätigt worden ist?«
    »Da muss ein Fehler vorliegen.«
    »Ich habe eine Kopie der Rechnung. Außerdem wurde Mr Sebastians Kreditkarte mit dem erwähnten Betrag belastet.«
    »Woher wissen Sie das, verdammt noch mal?«
    Das würde ich ihm ganz bestimmt nicht erzählen. Eine Frau, die ganz offensichtlich nicht gut auf Reeves zu sprechen war, hatte mit unterdrückter Telefonnummer bei mir angerufen und mir das mit der Hotelrechnung gesteckt. Ich nahm an, dass sie entweder im Rathaus oder für Elmont Sebastian arbeitete. Ihren Namen hatte ich ihr nicht entlocken können.
    »Wollen Sie wirklich behaupten, Mr Sebastian hätte Ihre Rechnung nicht bezahlt?«, fragte ich. »Ich habe hier nämlich die Nummer seiner Visa-Karte. Sollen wir dem mal nachgehen?«
    »Sie verdammter Mistkerl.«
    »Mr Reeves, werden Sie einräumen, dass Sie sich in einem Interessenkonflikt befinden, wenn der Bau des Gefängnisses vom Stadtrat verhandelt wird?«
    »Ein Stück Scheiße sind Sie, wissen Sie das?«, schnauzte Reeves. »Ein mieses Stück Scheiße, verstanden?«
    »Darf ich das als ein Nein verstehen?«
    »Ein verdammtes Stück Scheiße.«
    »Also nein.«
    »Wollen Sie wissen, was mich wirklich ankotzt?«
    »Und das wäre, Mr Reeves?«
    »Diese moralische Tour, mit der Sie mir kommen – ein Schmierfink, der für eine Zeitung arbeitet, die sich in eine Lachnummer verwandelt hat. Sie und diese Idioten vom Thackeray, die ihren Affentanz aufführen, nur weil wir mit dem Gedanken spielen, eine externe Firma mit dem Betrieb einer Haftanstalt zu beauftragen. Und das, obwohl ihr die Hälfte eurer Artikel selber von außen zuliefern lasst. Ich kann mich noch erinnern, dass der Standard mal ein hoch angesehenes Blatt war – damals, als die Auflage noch nicht den Bach heruntergegangen war; als tatsächlich noch Journalisten über lokale Ereignisse berichtet und bevor die Russells angefangen haben, irgendwelche Reporter aus Indien oder Gott weiß woher heranzuziehen, die unsere Meetings per Internet verfolgen und dann irgendetwas zusammenschmieren, natürlich für einen Bruchteil dessen, was ein hiesiger Journalist dafür bekommen würde. Jeder Verleger, der so etwas tut und meint, sein Drecksblatt immer noch Zeitung nennen zu können, ist ein gottverdammter Heuchler, mein Freund.«
    Und damit legte er auf.
    Ich legte den Kugelschreiber beiseite, nahm das Headset ab und schaltete den Digitalrecorder aus. Ich war ziemlich stolz auf mich. Dem Kerl hatte ich den Schneid abgekauft.
    Gerade mal zehn Sekunden später klingelte das Telefon.
    Ich legte das Headset ans Ohr, ohne es aufzusetzen. » Standard . Harwood.«
    »Hey.« Es war Jan.
    »Hey«, sagte ich. »Na, wie steht’s?«
    »Alles okay.«
    »Bist du bei der Arbeit?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Nichts.« Jan machte eine Pause. »Ich musste bloß gerade an den einen Film denken. Den mit Jack Nicholson.«
    »Welchen?«
    »Den, in dem er diesen Schriftsteller mit Bakterienphobie spielt, der immer Plastikbesteck mit ins Restaurant nimmt.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Erinnerst du dich an die Szene bei dem Psychiater mit all den Leuten im Wartezimmer? Als er sagt: ›Was, wenn’s von nun an nur noch bergab geht?‹«
    »Ja«, sagte ich leise. »Ich erinnere mich. Und warum ging dir die Szene im Kopf herum?«
    Sie wechselte das Thema. »Und, wie steht’s bei dir? Welche Skandale hast du heute aufgedeckt?«

2
    Vielleicht hätte mir schon vorher etwas auffallen müssen, aber vielleicht war ich schlicht zu blöd dafür gewesen. Ich bin bestimmt nicht der erste Journalist, der von sich behauptet, einen guten Riecher zu haben, doch in diesem Fall bekam ich nichts mit, obwohl sich die Veränderung direkt vor meiner Nase abspielte. Trotzdem kam es mir immer noch vor, als hätte sich Jans Stimmung über Nacht verändert.
    Sie war wie ausgewechselt. Reizbar und unbeherrscht. Selbst bei der geringsten Kleinigkeit platzte ihr der Kragen. Alltagsprobleme, die sie sonst nicht im Mindesten tangierten, schienen ihr von einem Tag auf den anderen über den Kopf gewachsen zu sein. Eines Abends brach sie unvermittelt in Tränen aus, weil uns das Brot ausgegangen war.
    »Mir ist alles zu viel«, sagte sie, als wir schließlich im Bett lagen. »Ich fühle mich, als wäre ich in einen dunklen Brunnen gefallen, aus dem ich einfach nicht mehr
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