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Karibik Träume... und zwei Leichen

Karibik Träume... und zwei Leichen

Titel: Karibik Träume... und zwei Leichen
Autoren: Jean Terbrack
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jetzt ein Volksheld, wie sein Vorbild Bolivar.
      Mit dem Wohlstand durch das Öl wuchsen die Ranchos , die Elendsviertel in den Randgebieten der Städte. Hatten wir ja auch schon Mal in Europa, dass die Landbevölkerung sich aufmachte mit der Hoffnung auf Arbeit und ein besseres Leben in den Ballungsräumen. Dann kam der große Knall. 1983 verfiel der Ölpreis, weil die Saudis ihr Embargo aufgaben. Mit ihm verfiel die Währung. Und weil halt nur auf Öl gesetzt worden war, waren die anderen Wirtschaftszweige und speziell die Landwirtschaft vernachlässigt worden. Präsident Perez, der während seiner ersten Amtszeit für sprunghafte Anstiege der Einkünfte und großzügige Verteilungspolitik stand, wurde reaktiviert, blieb aber hinter den Erwartungen zurück. 1993 wurde er aus dem Palast gejagt.
      Jetzt kommt wieder unser Volksheld in´s Spiel. Er kandidierte bei der nächsten Wahl und wurde prompt gewählt. Hinter ihm standen die Mittelklasse, weil sie sich von ihm Änderungen und die Rückkehr zum Wohlstand versprachen und die ärmeren Bevölkerungsschichten, an denen das Geld aus dem Ölgeschäft in der Vergangenheit vorbeigegangen war. Als Änderungen und Aufschwung ausblieben und die versprochenen Ziele nicht erreicht wurden, kehrte ihm die ohnehin schmaler werdende Mittelschicht den Rücken. Es bleiben ihm die Armen. Immerhin fast die Hälfte der Bevölkerung. Programme zur Gesundheitsversorgung, Alphabetisierung und günstige Kredite, die eh niemand zurückzahlte, halten sie bei der Stange. Dass die Lehrer und Ärzte aus Kuba kommen und sein Schulterschluss zu Castro, stört sie nicht im Geringsten.
      Weiter verschärft wird die Situation dadurch, dass Venezuela eine junge Bevölkerung hat. Und alle wollen Arbeit. Es leben heute etwa fünfeinhalb der fünfundzwanzig Millionen Einwohner in Caracas. Wie viele davon in den Elendsvierteln, weiß keiner so genau. Jedenfalls wachsen sie immer noch. Die Kriminalität ist dementsprechend hoch. Am Wochenende wird „Todes-Bingo“ gespielt. Am Freitag setzt man auf eine Zahl zwischen siebzig und hundertzwanzig. Am Montag wird dann nachgesehen, wie viele Tote es am Wochenende gegeben hat. Wer am nächsten dran ist, hat gewonnen.
      Apropos Karibikklima. Wer glaubt, dass Venezuela nur Karibik ist, liegt falsch. Es gibt neben den Stränden sämtliche Klimazonen. Von den schneebedeckten Gipfeln der Kordiellen (das Braune auf meiner Karte), über Savannen, Wüsten, Tafelbergen und Regenwälder (das Grüne) ist alles vorhanden. Einzigartige Natur in allen Variationen. Deshalb hat der alte Humboldt sich so lange hier rumgetrieben und geforscht auf Teufel komm raus. Er war nicht der einzige Deutsche. Im sechszehnten Jahrhundert gab der spanische König Teile von Venezuela als Lehen an das augsburgische Handelshaus, die Welser, weil er pleite war. Die nannten Coro flugs in Neu-Augsburg um und fingen an zu handeln und El Dorado zu suchen. Irgendwann standen die Spanier wieder auf der Matte und vorbei war´s mit dem deutschen Engagement. Ein paar Jahrhunderte später, genau 1905, hätte es wegen Venezuela fast Krieg zwischen den USA und Deutschland gegeben. Diesmal konnte das inzwischen unabhängige Venezuela seine Schulden an Deutschland nicht bezahlen. Also bot man Nutzungsrechte und Pachtverträge an. Da US-Präsident Teddy Roosevelt aber Angst davor hatte, das in Südamerika, wie in China mit Tsingtau, ein Vorposten einer europäischen Macht entstand, besann er sich auf den Slogan: „Amerika den Amerikanern.“ Und ließ die Muskeln spielen. Im Prinzip hätte die deutsche Flotte die amerikanische Atlantikflotte besiegen können (es gab diesbezüglich Planspiele), aber nicht von jetzt auf gleich und ohne Vorbereitung. Darum einigte man sich darauf die USA als Moderator zu akzeptieren und die Schuldenfrage wurde diplomatisch gelöst.
      Was muss man sonst noch wissen? Der größte Teil der Bevölkerung ist katholisch. Spanisch ist Landessprache. Mit Englisch kommt man nicht weit. Aber seien wir ehrlich. Ist es bei uns anders?
     
      Meine erste Reise war ein Kurztrip. Ein paar Tage für Projektbesprechungen. Ich erwartete Sitzungssräume, Restaurants und Hotelzimmer. Wie das eben so üblich ist. Meine Ex und unsere Freunde waren, wie eigentlich immer, neidisch, als ich erzählte, wohin ich reisen musste und fingen an zu schwärmen. Dass ich von den touristischen Attraktionen normalerweise nicht viel zu sehen bekam, konnten sie nicht verstehen. Vielleicht habe ich
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