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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton
Autoren: Daniel Defoe
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Schiff, nachdem es seine Fracht an Bord genommen hatte, nach Portugal in See stach.
Ich vermag hier nichts darüber zu sagen, wie unsere Reise verlief, denn ich führte, wie gesagt, kein Logbuch; ich kann aber berichten, daß wir, nachdem wir einmal auf die Höhe des Kaps der Guten Hoffnung, wie wir es nennen, oder des Cabo de Bona Speranza, wie sie es bezeichnen, gelangt waren, von einem heftigen Sturm aus Westsüdwest wieder zurückgetrieben wurden. Er hielt uns sechs Tage und sechs Nächte lang weit östlich fest; danach segelten wir ein paar Tage vor dem Wind und gingen schließlich bei der Küste von Madagaskar vor Anker.
Der Sturm hatte mit solcher Gewalt getobt, daß das Schiff sehr beschädigt war, und wir benötigten einige Zeit, um es wieder instand zu setzen; deshalb brachte der Steuermann, mein Herr, das Fahrzeug in größere Nähe der Küste und in einen sehr guten Hafen, wo wir in sechsundzwanzig Faden Wassertiefe etwa eine halbe Meile vom Ufer entfernt lagen.
Während sich das Schiff hier befand, ereignete sich eine verzweifelte Meuterei unter der Mannschaft wegen einiger Mängel in ihrer Verpflegung; sie ging so weit, daß die Leute dem Kapitän drohten, sie wollten ihn an Land setzen und mit dem Schiff zurück nach Goa fahren. Ich wünschte von ganzem Herzen, daß sie es täten, denn mein Kopf war voller Bosheit, und ich war durchaus bereit, sie auch in die Tat umzusetzen. Und obgleich ich nur ein Junge war, wie sie mich nannten, förderte ich doch den bösen Plan nach Kräften und ließ mich so offen darauf ein, daß ich im ersten und frühesten Abschnitt meines Lebens dem Gehängtwerden nur knapp entging, denn dem Kapitän kam zu Ohren, daß einige aus der Bande die Absicht hatten, ihn zu ermorden, und nachdem er teils durch Geld und Versprechungen, teils durch Drohungen und Folter zwei der Burschen dazu gebracht hatte, die Einzelheiten zu bekennen und die Namen der Betreffenden zu nennen, wurden sie bald gefangengesetzt, und nachdem einer den anderen beschuldigt hatte, wurden nicht weniger als sechzehn Mann in Gewahrsam genommen und in Eisen gelegt, darunter auch ich.
Der Kapitän, den die Gefahr, in der er schwebte, zum Äußersten getrieben hatte, beschloß, das Schiff von seinen Feinden zu säubern; er hielt über uns Gericht, und wir wurden alle zum Tode verurteilt. Ich war zu jung, um die Verfahrensweise dieses Prozesses zur Kenntnis zu nehmen, aber der Proviantmeister und einer der Geschützmeister wurden sofort gehängt, und ich erwartete mit den übrigen das gleiche. Ich erinnere mich nicht, daß es mich stark betroffen hätte, nur, daß ich sehr weinte, denn ich wußte damals wenig von dieser Welt und gar nichts von der nächsten.
Der Kapitän gab sich jedoch damit zufrieden, diese beiden hinrichten zu lassen, und einige der übrigen wurden auf ihre demütige Bitte und das Versprechen hin, sich in Zukunft gut zu betragen, begnadigt; er befahl jedoch, fünf Mann an Land auszusetzen und dort zu lassen, und ich war darunter. Mein Herr machte seinen ganzen Einfluß auf den Kapitän geltend, um Verzeihung für mich zu erwirken, vermochte es jedoch nicht zu erreichen, denn jemand hatte dem Kapitän gesagt, ich sei einer von denen gewesen, die ausgesucht waren, ihn zu töten, und als mein Herr bat, man möge mich nicht an Land aussetzen, erklärte ihm der Kapitän, ich solle an Bord bleiben, wenn er es wünsche, dann aber würde ich gehängt; er möge also wählen, was er für besser halte. Anscheinend war der Kapitän besonders darüber aufgebracht, daß ich an dem Verrat beteiligt war, weil er sich mir gegenüber so gütig gezeigt und mich ausgesucht hatte, ihn zu bedienen, wie ich bereits erwähnte; vielleicht war dies der Grund, weshalb er meinen Herrn vor eine so harte Wahl stellte, mich entweder an Land aussetzen oder aber an Bord hängen zu lassen. Und hätte mein Herr gewußt, welches Wohlwollen ich für ihn empfand, dann hätte er nicht lange gezögert, die Wahl für mich zu treffen, denn ich war fest entschlossen, ihm bei der ersten Gelegenheit, die sich bot, etwas Böses anzutun. Desha lb war es eine gute Fügung des Schicksals, die mich daran hinderte, meine Hände in Blut zu tauchen, und sie machte mich danach weichherziger in Dingen, die Blut betrafen, als ich es, wie ich glaube, sonst gewesen wäre. Was aber die Anklage anging, ich sei einer von denen gewesen, die den Kapitän hatten töten sollen, so geschah mir damit Unrecht, denn nicht ich war es, sondern einer von denen, die
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