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Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)

Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)

Titel: Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
Autoren: Claudia Kemfert
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keineswegs Folge einer kurzfristigen, überhasteten oder panikartigen Planung.
    Der Satz »Die Energiewende ist bis 2022 nicht zu schaffen« ist also einerseits deshalb falsch, weil alle Regierungsbeschlüsse, die sich auf das Jahr 2022 beziehen, nicht die Energiewende, sondern den Atomausstieg betreffen.
    Die andere Geschichte, die von der Energiewende, trägt die Handschrift der schwarz-gelben Koalition: Als diese im Herbst 2010 ein entsprechendes Konzept zum Ausbau erneuerbarer Energien beschloss, verlängerte sie jedoch im gleichen Atemzug die Laufzeit für Atomkraftwerke. Damit machte sie den Ausstieg aus der Atomenergie wieder rückgängig. Dann, nach dem Reaktorunglück in Fukushima, gab es eine erneute Kehrtwende – den Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg. Angesichts dieses Taumelkurses verwundert es nicht, dass seither in der Energiepolitik einiges durcheinandergewirbelt wird.
    Doch bleiben wir zunächst kurz bei der Frage, ob denn diese in der Tat überhastete Rückkehr zur endgültigen Abschaltung aller Atomkraftwerke unser Land 2022 in Dunkelheit stürzen wird – weil der Strom, den diese Werke liefern, so schnell nicht ersetzbar sei, wie manche behaupten.
    Der Anteil, den die Atomkraftwerke zur Gesamtmenge unseres Stromverbrauchs beitragen, beträgt heute, im Jahr2012 , knapp 20 Prozent. Der Anteil aus erneuerbaren Energien liegt aktuell bei etwa 25 Prozent. Wollten wir die Kernenergie durch erneuerbare Energien ersetzen, müsste ihr Anteil in zehn Jahren auf 35 Prozent des Gesamtverbrauchs ausgebaut werden. Bereits zwischen 2007 und2012 , also in nur fünf Jahren, wurde genau diese Steigerungsrate erzielt. Und es ist nicht nur längst klar, dass sogar ein schnellerer Ausbau möglich ist: Im Moment sieht es gar so aus, dass wir den derzeitigen Ausbau bremsen müssten, wenn wir bis 2022 den Anteil der erneuerbaren Energien »nur« auf 35 Prozent erhöhen wollten. Nun gut, hören wir die Rufe der Kassandra: Was nutzen uns die großen Strommengen aus Wind- und Solarenergie, da wir sie ja noch nicht speichern und transportieren können? Darauf werde ich in Kapitel 4, das sich mit dem Mythos drohender Blackouts beschäftigt, noch ausführlich zu sprechen kommen. An dieser Stelle sei nur gesagt: Einerseits haben wir noch zehn Jahre Zeit, Speicherkapazitäten und Verteilernetze auszubauen, andererseits kann der Atomstrom auch durch andere Energieträger, wie etwa Kohle- oder Gaskraftwerke, ersetzt werden. Das ist auch allseits bekannt. Die Frage, wie wir den aus Atomenergie gewonnenen Strom ersetzen, ist also nicht zwangsläufig mit der Frage nach grünem Strom verbunden. Nachdem die Bundesregierung mit dem Atommoratorium vom Frühjahr 2011 die Abschaltung der Atomkraft bekannt gegeben hatte, beharrte die Atomlobby jedoch darauf, dass die deutsche Energieversorgung das nicht verkraften würde. Ihr politischer Gehilfe, Wirtschaftsminister Philipp Rösler, schlug deshalb vor, einige der abgeschalteten Atommeiler im Stand-by-Modus zu halten. Daraufhin überprüfte die Bundesnetzagentur den Sachverhalt erneut und verkündete in einer Pressemitteilung am 31. August2011 , dass »auch im Fall außergewöhnlicher Störungen das Übertragungsnetz ohne Einsatz eines Reservekernkraftwerks beherrschbar bleibt«. – Was auch immer andere behaupten mögen: Es gibt keinen Grund zur Panik wegen der abgeschalteten Meiler.
    Das Ziel 2050: Die Energiewende
    So weit die Lage in Sachen Atomausstieg. Die Geschichte der Energiewende ist länger und komplizierter. Wenn neue Ideen auf den Plan treten, erscheinen sie häufig radikal und abwegig und werden schnell als unrealistische Träume von Spinnern abgetan. Manche Ideen, wie die von der Demokratie als Herrschaft eines souveränen, seine Regierungsvertreter wählenden Volkes, benötigten Jahrhunderte, um Wirklichkeit zu werden, und eine kaum zu beziffernde Zahl von Menschen landete vorher in Gefängnissen oder bezahlte mit dem Leben dafür. Als das Öko-Institut 1980 ein Buch mit dem Titel Energiewende – Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran veröffentlichte, erschien die Idee einer umweltfreundlichen Politik noch als revolutionär – und hatte wenig Aussichten auf Erfolg. Diese neue Idee wurde zunächst von Menschen vertreten, die ihre Herkunft aus der außerparlamentarischen Opposition durch das Tragen von Turnschuhen und das Stricken von Pullovern – auch in Sitzungen des Bundestages – zum Ausdruck brachten. Und so dauerte es noch einmal gut 30 Jahre, bis sich ein
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