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Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Eva Rossmann
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andere Mira freilich widersprach: »Das war nicht Glück, sondern Vesna. Und Oskar. Und Zuckerbrot. Und auch dein Verstand.«
    Wahrscheinlich wurde ich schizoid. Auch eine Möglichkeit, sich nicht verwickeln zu lassen, indem man sich in sich selbst verwickelte.
    Ich sperrte die beige Leineneinkaufstasche in den Kofferraum meines kleinen Fiat, ging über den beinahe leeren großen Parkplatz vor zur Mayerlinggasse, hinauf bis zur nächsten Ampel. Es dauerte keine drei Minuten, da stand die Kassiererin keuchend neben mir. Ich erkannte sie nur an ihren Haaren. Die blau-gelben Uniformkittel von Ultrakauf machten ihre Trägerinnen schwer unterscheidbar, anonym.
    »Ganz schnell, wenn ich Ihnen erzählen darf … Ich weiß gar nicht, wie Sie dazu kommen … Ich meine …«
    Ich war peinlich berührt. Die Frau war mindestens Mitte dreißig und stotterte herum, als ob längst klar sei, dass sie auch bei dieser Prüfung jedenfalls durchfallen würde. Gleich hinter der Kreuzung war ein Espresso. »Gehen wir dort hinein, in Ordnung?«
    Sie nickte. »Ich möchte Ihre Zeit nicht …«
    Die Ampel stand auf Rot, das nächste Auto war weit genug entfernt. »Kommen Sie«, sagte ich, und wir gingen bei Rot über die Straße. Im »Espresso Evi« war es dunkel, es roch nach einer Mischung aus abgestandenem Bier, kaltem Zigarettenrauch und Pissoir. Kein Ort, an dem ich alt werden wollte. Keiner, an dem man jung bleiben konnte. Ohne die Kassiererin zu fragen, bestellte ich zwei Gläser Weißwein.
    Wir ließen uns in einer Nische mit orange-braun gepolsterter Eckbank nieder. Der Wein kam, und die Kassiererin wollte wieder zu reden beginnen.
    »Zuerst trinken Sie. Vorausgesetzt, der Wein ist trinkbar. Und dann erzählen Sie.« Schlimmstenfalls würde ich mit Oskar auswärts essen gehen.
    Sie nahm brav einen Schluck. Vielleicht tat sie immer das, was man ihr befahl. Aber mich um Rat zu fragen, hatte ihr wohl niemand bei Ultrakauf angeschafft.
    »Also?«
    »Ich weiß nicht«, seufzte sie und legte die Hände in den Schoß.
    Langsam wurde ich ungeduldig. »Sie wollen mir etwas erzählen. Ich bin da. Ich höre zu.«
    »Ich weiß nicht …«, sagte sie wieder, »aber irgendwas ist nicht in Ordnung. Sie kennen die rote Karin? Wir nennen sie so wegen ihrer roten Haare. Und weil sie bei der Gewerkschaft ist. Überhaupt schnell auf hundert. Sie hat mir ziemlich geholfen bei der Sache mit dem Überfall. Deswegen glaube ich, dass ich ihr auch helfen muss. Sie liegt im Krankenhaus, jetzt wenigstens nicht mehr auf der Intensivstation. Letzte Woche ist sie im Lager fast erschlagen worden. Ein ganzer Stapel mit Getränkekartons ist auf sie draufgefallen. Die rote Karin ist immer in dieses Eck im Lager gegangen, wenn sie in Ruhe eine Zigarette rauchen wollte. Rauchen darf man bei uns im Gemeinschaftsraum nicht mehr, und im Fleischraum geht es natürlich auch nicht. Wenn sie eine Besprechung gehabt hat, war sie auch dort. Gewerkschaftssachen und so. Das hätte sie während der Dienstzeit nicht dürfen. Aber diesmal war sie allein, als der Stapel umgekippt ist. So ein Stapel, das sage ich Ihnen, der kippt nicht von allein. Das sagen alle bei uns. Sie hätte tot sein können. Sie wäre sicher tot gewesen, wenn da nicht ganz vorne ein paar leere Kartons gewesen wären. So ist man dann auch dahinter gekommen, dass der Cognac aus den Kartons geklaut worden ist. Das war aber sicher nicht sie, auch wenn es der Heller vermutet. Da bin ich mir ganz sicher. So etwas würde sie nicht machen, und so dumm noch dazu schon gar nicht. Die leeren Kartons haben ihr jedenfalls das Leben gerettet. Na ja, und die Geschäftsleitung wollte keine Polizei, aber das geht automatisch, wenn die Rettung kommt. Auf alle Fälle sagen die jetzt in der Geschäftsleitung, dass es ein Unfall gewesen ist, und sie beschuldigen die Lagerarbeiter, nicht richtig gearbeitet zu haben, oder sagen, dass die Diebe da etwas umgestapelt haben. Und außerdem soll die rote Karin auch selbst dran schuld sein, weil es ja verboten ist, im Dienst ins Lager eine rauchen zu gehen. Aber da ist irgendetwas faul. Ich bin sonst keine, die sich einmischt, aber das hat die Karin nicht verdient, dass sie fast tot ist und dann auch noch selbst dran schuld sein soll. Wo sie mir beim Überfall so geholfen hat und wo sie eh in der Geschäftsleitung nicht gut angeschrieben ist, weil sie uns alle mobilisieren will. Gewerkschaftlich. Ich hab da nie mitgetan, weil was kann unsereins schon groß ändern? Besser, man legt sich
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