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Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Eva Rossmann
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einer Großfleischerei angestellt. Dort hat es eine Kollegin gegeben, die mit ein paar Anhängerinnen alle anderen terrorisiert hat. Sie hat mich immer nur ›das Fett‹ genannt, und ihre Freundinnen haben gelacht. Dabei war sie selbst hässlich wie die Nacht. Irgendwann einmal hab ich dann, ohne viel nachzudenken, gesagt: ›Wer so deppert und hässlich ist, sollte lieber seinen Mund halten.‹ Sie war total verdattert. Das war eine Befreiung, und von da an hab ich zurückgeredet und mir gedacht, dass ich auch stark genug bin, um zurückzuschlagen, wenn es sein muss. Sie hat mich nie mehr ›Fett‹ genannt und war auch sonst vorsichtig im Umgang mit mir. Wäre ja auch dumm für sie gewesen, sich beim Chef zu beschweren, dass sie eine Kollegin deppert und hässlich genannt hat. Seither denk ich mir immer wieder: Was soll mir schon groß passieren? Schlimmstenfalls werfen sie mich hinaus beim Ultrakauf, aber ich bin eine ausgebildete Fleischerin, ich kriege schon wieder einen Job. Wenn nicht, hab ich immer noch die Pension von meinem verstorbenen Mann. Ich lass mir nichts mehr gefallen. Gerade beim Fleisch könnte ich Ihnen Geschichten erzählen … Na ja, das sollte man einer Kundin gegenüber wahrscheinlich nicht, aber wenn ich daran denke … Früher hab ich ja auch mitgemacht, wenn hin und wieder Fleisch umgepackt oder Knackwürste abgewaschen worden sind. Wenn das Ablaufdatum vorbei ist, muss alles ins Zentrallager zurückgeschickt werden. Je mehr man zurückschickt, desto geringer wird natürlich der Gewinn. Also wird von oben eben etwas Druck ausgeübt. Es stimmt ja, bei uns sind die Ablauffristen recht streng, anders als bei irgendwelchen Billigketten, die verkaufen Fleisch noch legal, wenn es schon ziemlich alt ist. Aber ich wollte diese Umpackerei eben nie. Nicht, weil ich mich vor dem Lebensmittelinspektorat gefürchtet hätte, weil essbar waren die Sachen allemal, aber warum soll ich illegale Sachen machen, nur damit ein paar Hunderter mehr in der Kasse sind? Also hab ich mich gewehrt. Seit zwei Jahren, seit ich mich vom Tod meines Otto wieder etwas erholt habe, verweigere ich solche Aktionen. Und, siehe da, jetzt gibt es sie nicht mehr. Also«, sie hob ihre rechte Hand, »reiße eben ich meinen Mund auf und spiele nicht überall mit. Vielleicht nutzt es ja etwas. Und wenn nicht, hab ich’s wenigstens probiert.«
    Sie hatte Recht, wir machten uns alle ständig viel zu viele Sorgen, was passieren könnte. Andererseits: Sie war fast erschlagen worden. »Könnte der Stapel Getränkekartons von einem umgestoßen worden sein, der sich an Ihnen rächen wollte?«
    »Was weiß ich? Glaube ich kaum, ich bin bei unseren Leuten gut angeschrieben, zumindest bei den meisten. Und glauben Sie ernsthaft, der Herr Generaldirektor würde kommen und mir eigenhändig im Lager eines überbraten, nur weil ich aufmüpfig bin? Zu viel der Ehre. Ich weiß, dass mir Grete dankbar ist. Wenn sie etwas für mich tun will, dann soll sie der Gewerkschaft beitreten.«
    »Ich werde es ihr ausrichten.« Ich starrte auf die prächtigen Blumen und überlegte, wie ich mich verabschieden könnte. Wenngleich dieser Krankenbesuch viel unterhaltsamer gewesen war, als ich befürchtet hatte.
    Die rote Karin deutete meinen Blick falsch. »Prächtig, nicht wahr? Die sind von den Kollegen meines verstorbenen Mannes. Im Allgemeinen halte ich zwar von den Männern nicht viel, aber er war ein Goldstück. War bei der Wiener Müllabfuhr, ein sicherer Job, und dann von heute auf morgen: Herzinfarkt und tot.« Sie seufzte. »Das ist jetzt schon drei Jahre her, sechsundfünfzig war er erst. Sein Hobby war es, Blumen zu fotografieren. Mit ein paar von seinen Kollegen bin ich heute noch in Kontakt. Und was bringen sie? Natürlich Blumen. Die dämlichen Schwestern haben vergessen, für Ihre Blumen eine Vase zu bringen. Das heißt, die Schwestern sind okay, aber eben total überlastet. Nicht nur bei Ultrakauf wird gespart.«
    »Tja dann …«
    »Bis in ein, zwei Wochen. Ich nehme ja nicht an, dass Sie mich jetzt täglich besuchen kommen.«
    Ich grinste. »Täglich wäre zu viel, aber vielleicht komm ich noch einmal vorbei.«
    »Würde mich freuen, aber ich sage Ihnen, ich bleib keinen Tag länger hier, als ich muss. Die Gehirnerschütterung klingt schon ab, Unkraut vergeht nicht.«
    Als ich ging, las die junge Frau im Nebenbett immer noch in ihrer Modezeitschrift.
    Ich stoppte beim Supermarkt, parkte und blieb im Auto sitzen. Es war vier oder fünf Jahre her,
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