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Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)

Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)

Titel: Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
Autoren: Dirk van den Boom
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geliefert wurden oder dass die Pause für jenen Trupp, der so gelitten hatte, am Folgetag verlängert wurde oder dass ein Arzt die Baustelle abwanderte und jedes Wehwehchen mit großer Anteilnahme behandelte.
    Damit machte von Klasewitz sich beliebt.
    Und das war ein Kapital, das er noch gut gebrauchen konnte.
    Sempronus verließ das Schiff, betrat den Kai und marschierte in Richtung Kantine.
    Von Klasewitz’ Lächeln veränderte sich. Es war jetzt nicht mehr ganz so falsch und aufgesetzt, es war jetzt ganz voller aufrichtiger und ehrlicher Arroganz. Diese ewige Schauspielerei forderte durchaus ihren Tribut und mal einen Augenblick ganz der Alte sein zu dürfen, diente sicherlich seiner geistigen Gesundheit. Und der Preis, den er für diese Anstrengung zahlte, war nichts im Vergleich zum Preis, den er als Lohn einstmals in Empfang nehmen würde.
    Wie gut , dachte er bei sich, ehe er seinen Kontrollgang begann, dass die Welt größtenteils aus Idioten besteht und ich nicht dazugehöre.
    Wie gut, wie wunderbar.
        
     

4
     
    »Irgendwann wirst du dich entscheiden müssen«, erklärte der alte Mann, als er Godegisel dabei beobachtete, wie dieser mit seinen Fingerkuppen vorsichtig über die frisch verheilte Narbe strich.
    »Wozu entscheiden, Clodius?«, fragte der Gote leise.
    »Ob du darüber froh sein willst, noch am Leben zu sein, oder entsetzt darüber, dass du die Narben deiner Krankheit mit dir herumträgst.«
    Godegisel nickte langsam und schaute an sich hinab. Er fühlte sich schwach und sah auch so aus, die Beulen der Pest zeichneten sich auf seinem mittlerweile ausgemergelt wirkenden Körper deutlich ab. Sie waren auf dem Weg der Heilung, die Schmerzen hatten nachgelassen. Seit einigen Tagen aß Godegisel wieder drei Mahlzeiten am Tag, sorgsam vorbereitet vom alten Clodius, und er konnte sich vorsichtig waschen, trug frische Kleidung, stand auch hin und wieder auf, um einige wackelige Schritte zu gehen. Am schönsten war es, wenn er mit seinem Wohltäter auf der Bank vor der Hütte saß und die Sommersonne auf seine schmerzenden Glieder scheinen ließ.
    Clodius nutzte diese Zeit, um ihm von seinem Leben zu erzählen. Er las ihm auch aus den Schriften vor, von denen er Versionen unterschiedlicher Qualität sein Eigen nannte, den größten Schatz in dieser bescheidenen Behausung. Godegisel war sich sicher, zu keinem Zeitpunkt seines Lebens intensiver und umfassender mit den Worten des Herrn befasst gewesen zu sein wie in den vergangenen Wochen. Clodius achtete darauf, seinen Patienten niemals zu ermüden. Godegisel schlief viel. Und die Albträume ließen nach, sie schwanden mit dem nachlassenden Fieber.
    Wenn Godegisel den alten Mann ansah, fühlte er große Wärme und Zuneigung. Als er das erste Mal aus dem Delirium aufgewacht war, völlig orientierungslos, erhitzt vom brennenden Fieber, schwach bis zur Ohnmacht, hatte er das freundlich lächelnde, von feinen Runzeln durchzogene Gesicht des Clodius erblickt. Und dann die kühle, feuchte Labsal eines Tuchs auf seiner Stirn.
    Die sanfte Stimme, die ihn beruhigte und ihm versicherte, dass alles gut sei und er das Schlimmste bald überstanden habe. Er erinnerte sich mit Freude an den kräftigen Geschmack der Hühnerbrühe, die ihm Clodius verabreichte, die angenehme, stärkende Wärme in seinem Magen, die Belebung seiner Lebensgeister und die fast schon euphorische Freude darüber, am Leben zu sein.
    Und da war der alte Clodius, wie ein Anker und steter Begleiter, die Verkörperung des Gefühls von Sicherheit und Sorge. Der alte Mann hatte die nässenden Beulen versorgt, den unerträglichen Gestank erduldet, den leidenden Infizierten beruhigt, wenn er an seinem Schicksal zu verzweifeln drohte. Er war an seiner Seite gewesen, bei Tag und bei Nacht, und Godegisel konnte nur ahnen, welche Kräfte der alte Körper hatte mobilisieren müssen, um diese Aufgabe zu bewältigen.
    Godegisel hatte Clodius vielmals gedankt, und dieser hatte den Dank mit einer erfrischend natürlichen Bescheidenheit akzeptiert. Doch der Gote fühlte jeden Tag aufs Neue, dass er seine Schuld noch nicht hinreichend abgetragen hatte, und versprach Clodius ein Haus und Ehren und Geld, wenn er nur wieder in die Dienste des Heermeisters zurückgekehrt war.
    Doch Clodius machte dann immer eine umfassende Bewegung beider Arme und schüttelte den Kopf. »Was brauche ich noch? Lebe dein Leben, junger Gote, das ist mir Lohn genug.«
    Godegisel akzeptierte diese Worte dann in scheinbarer Demut,
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