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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone
Autoren: Arnaldur Indridason
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Reykjavík, eine verpasst, und dann bringt man ihn hierher und versenkt ihn.«
    »Und wie hat man ihn versenkt?«, fragte Elínborg. »Dazu braucht man etwas Schweres, um die Leiche unten zu halten.«
    »Ist es ein erwachsener Mensch?«, sagte Sigurður Óli.
    »Sag ihnen, sie sollen sich in gebührender Entfernung halten«, sagte Erlendur, der sah, wie die Reporter von der Straße zum See herunterkamen. Von Reykjavík her näherte sich ein kleines Flugzeug, das im Niedrigflug über sie hinwegbrummte, und sie sahen einen Mann, der eine Kamera auf sie gerichtet hielt.
    Während Sigurður Óli den Reportern entgegenging, begab Erlendur sich zum Wasser. Kleine Wellen plätscherten träge auf den Sand, und die Nachmittagssonne glitzerte auf der Wasseroberfläche. Er überlegte, was hier vor sich ging. Verschwand das Wasser aufgrund von menschlichem Einwirken, oder war die Natur am Werk? Es hatte ganz den Anschein, als wolle der See von sich aus ein Verbrechen aufdecken. Verbargen sich in seinen Tiefen, wo immer noch Dunkelheit und Schweigen herrschten, womöglich weitere düstere Freveltaten?
    Er blickte wieder zur Straße. Die Spurensicherung in weißen Overalls eilte über den Sand auf ihn zu. Sie hatten ein kleines Zelt dabei − und die Taschen voller Berufsgeheimnisse. Als er zum Himmel aufschaute, spürte er die Wärme der Sonne im Gesicht.
    Vielleicht war sie es, die den See austrocknete.
    Das Erste, was die Leute von der Spurensicherung entdeckten, als sie das Skelett mit kleinen Schaufeln und weichen Pinseln vom Sand befreiten, war ein Seil. Es hatte sich zwischen die Rippen gelegt, führte an der Wirbelsäule vorbei nach unten und verschwand im Sand.

    Die Hydrologin Sunna hatte es sich auf dem Sofa mit einer Decke gemütlich gemacht. Die Kassette steckte im Videogerät, ein amerikanischer Thriller, der The Bone Collector hieß. Der Mann mit den schwarzen Socken war weg. Er hatte zwei Telefonnummern hinterlassen, die sie im Klo hinunterspülte. Der Filmanfang lief gerade, als es an der Tür klingelte. Sie beschloss, so zu tun, als sei sie nicht zu Hause. Dauernd wurde man gestört. Entweder versuchten die Leute, einem am Telefon etwas aufzuschwatzen, oder es standen Typen vor der Tür, die mit getrocknetem Fisch hausierten, oder kleine Jungs, die Pfandflaschen sammelten und schwindelten, der Erlös sei für das Rote Kreuz. Es klingelte wieder, und sie zögerte immer noch. Dann seufzte sie laut und schleuderte die Decke zur Seite.
    Als sie die Tür öffnete, standen zwei Männer vor ihr, der eine, der vielleicht etwas über fünfzig war, sah nicht gerade fröhlich aus, er ließ die Schultern hängen und hatte einen seltsam traurigen Gesichtsausdruck. Der andere sah sehr viel sympathischer aus, eigentlich ein attraktiver Mann.
    Als Erlendur bemerkte, wie interessiert sie Sigurður Óli anstarrte, konnte er sich eines Lächelns nicht erwehren.
    »Es ist wegen Kleifarvatn«, sagte er.
    Als sie bei ihr im Wohnzimmer Platz genommen hatten, erklärte sie ihnen, was nach Meinung der Experten aus der hydrologischen Abteilung des Energieforschungsinstituts geschehen war.
    »Der See hat keinen oberirdischen Abfluss«, erklärte Sunna, »sondern das Wasser sickert durch den Grund des Sees ins Erdreich, in den letzten Jahrzehnten ungefähr ein Kubikmeter pro Sekunde, und deswegen blieb ein gewisser Gleichstand erhalten.«
    Erlendur und Sigurður Óli sahen sie an und versuchten, interessiert zu wirken.
    »Ihr erinnert euch doch an das große Erdbeben in Südisland am 17. Juni 2000?«, fragte sie, und beide nickten. »Fünf Sekunden nach diesem großen Beben wurde der See von einem scharfen Erdstoß erschüttert, was dazu führte, dass sich die Abflussgeschwindigkeit verdoppelte. Als der See immer kleiner wurde, dachte man zunächst, dass es mit geringeren Niederschlagsmengen zu tun hätte, aber dann stellte sich heraus, dass das Wasser durch Spalten auf dem Seeboden nach unten rauscht. Die Spalten gibt es zwar schon seit Jahrzehnten, aber sie haben sich durch diesen Erdstoß noch mehr geöffnet, und die Folgen habe ich gerade geschildert. Der Wasserspiegel hat sich um mindestens vier Meter gesenkt.«
    »Und deswegen ist das Skelett zutage gekommen«, sagte Erlendur.
    »Als sich der Wasserspiegel um zwei Meter gesenkt hatte, fanden wir das Gerippe eines Schafs«, sagte Sunna. »Aber dem hatte niemand eins mit dem Hammer übergezogen.« »Was meinst du damit, eins mit dem Hammer übergezogen?«, fragte Sigurður Óli.
    Sie
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