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Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Titel: Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi
Autoren: Arnaldur Indriðason
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schmalen Hals eingeschnitten.
    »Sauerstoffmangel«, sagte der Arzt, der sich mit den Sanitätern unterhalten hatte. »Sie hat sich nicht das Genick gebrochen, leider. Dann wäre es schnell vorbei gewesen. Sie ist erstickt, als der Strick sich um den Hals schnürte, und das hat einige Zeit gedauert. Sie fragen danach, wann sie die Leiche entfernen dürfen.«
    »Wie lange hat es gedauert?«, fragte der Polizist.
    »Zwei Minuten vielleicht, bis sie das Bewusstsein verloren hat.«
    Der Polizist stand auf und sah sich in dem Haus um. Es kam ihm wie ein ganz normales isländisches Ferienhaus vor – eine Sofagarnitur aus Leder, ein beeindruckender Esstisch und eine ziemlich neue Kücheneinrichtung. Die Wände im Wohnzimmer waren vor lauter Büchern kaum zu sehen. Er ging zu einem der Regale und sah die gelbbraunen Lederrücken der Isländischen Volkssagensammlung von Jón Árnason in fünf Bänden. Gespenstergeschichten, dachte er. In anderen Regalen befanden sich isländische Romane und französische Literatur und dazwischen Kunstgegenstände aus Porzellan oder Keramik und gerahmte Fotos, drei davon zeigten dieselbe Frau in unterschiedlichem Alter, wie er zu erkennen glaubte. Wo Platz an den Wänden war, hingen Grafiken, kleine Ölgemälde und Aquarelle.
    Der Polizist ging in das eheliche Schlafzimmer. Das Bett war auf der einen Seite niedergedrückt. An dieser Seite lagen Bücher auf dem Nachttisch, zuoberst ein Gedichtband von Davið Stefánsson. Ein kleiner Parfümflakon stand ebenfalls auf dem Nachtschränkchen.
    Sein Gang durch das Haus geschah nicht aus reiner Neugier. Er suchte nach Anzeichen von Gewaltanwendung, auf Hinweise darauf, dass die Frau nicht aus eigenem Antrieb in die Küche gegangen war, den Hocker geholt und ihn unter den Balken gestellt hatte, auf ihn geklettert war und sich den Strick um den Hals gelegt hatte. Aber nichts deutete auf etwas anderes hin als auf eine stille, beinahe diskrete Todesstunde.
    Sein Kollege aus Selfoss unterbrach ihn.
    »Gibt es irgendetwas Verdächtiges?«, fragte er.
    »Nichts. Das ist Selbstmord. Ganz klarer Fall. Es gibt keinerlei Anzeichen für etwas anderes. Sie hat sich selbst das Leben genommen.«
    »Ja, es hat ganz den Anschein.«
    »Soll ich den Strick vom Balken herunterschneiden, bevor wir das Haus verlassen? War sie nicht verheiratet?«
    »Tu das. Ja, der Ehemann wird hierherkommen müssen.«
    Der Polizist hob das Seil vom Boden auf und drehte es zwischen den Fingern. Keine sehr solide Ware, es war schlecht gedreht, und die Schlinge ließ sich schwer bewegen. Er dachte, dass er eine bessere Schlinge machen könnte, aber wahrscheinlich war von einer normalen Frau aus Grafarvogur nicht zu erwarten, dass sie imstande war einen perfekten Strang zu knüpfen. Es hatte nicht den Anschein, als hätte sie sich mit den technischen Details vertraut gemacht und den Selbstmord präzise vorbereitet. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Anfall von geistiger Verwirrung und nicht um einen von langer Hand geplanten Akt.
    Er öffnete die Tür zur Veranda. Von ihr führten zwei Stufen hinunter auf den Pfad, auf dem man mit nur ein paar Schritten zum Ufer des Sees gelangte. Es hatte in den letzten Tagen Nachtfrost gegeben, und eine dünne Eisschicht bedeckte das Wasser am Spülsaum. An einigen Stellen war es am Ufer festgefroren und sah aus wie hauchzartes Glas, unter dem das Wasser gluckerte.

Drei
    Erlendur hielt bei einem schlichten Einfamilienhaus in Grafarvogur an, das etwas abseits am Ende einer Stichstraße mit schönen Bungalows stand. Die meisten Häuser hier sahen mehr oder weniger gleich aus, sie waren weiß, rot oder blau gestrichen und hatten jeweils zwei Garagen. Die Straße machte im Schein der Straßenbeleuchtung einen gepflegten Eindruck; an den gemähten Rasenflächen und beschnittenen Bäumen sah man, dass die Gärten gut in Schuss gehalten wurden. Rechtwinklig gestutzte Hecken, wo man auch hinblickte. Das allein stehende Haus schien älter zu sein als die anderen Häuser in der Straße, und es hatte einen etwas anderen Stil; es gab keine Bogenfenster oder prätentiös anmutende Säulen am Eingang und auch keinen Wintergarten. Es war weiß gestrichen und hatte ein Flachdach. Durch das große Wohnzimmerfenster schaute man nach Norden auf den Kollafjörður und das Bergmassiv der Esja. Der große und gut ausgeleuchtete Garten um das Haus herum wirkte überaus gepflegt, jemand schien sich akribisch um ihn zu kümmmern. Heckenrosen und Stiefmütterchen hatten
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