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Julia

Julia

Titel: Julia
Autoren: Anne Fortier
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einfach den Brief.«
    Ich faltete die zwei Blätter auseinander. »Hast du das geschrieben?«
    »Sie hat es mir diktiert.« Umberto lächelte traurig. »Sie wollte sichergehen, dass du es lesen kannst.« In dem Brief stand Folgendes:
     
    Liebste Julia,
    Umberto hat den Auftrag, dir diesen Brief nach meiner Beerdigung zu geben. Das heißt dann wohl, dass ich tot bin. Nun ja, ich weiß, dass du immer noch wütend auf mich bist, weil ich nie mit euch nach Italien gefahren bin, aber glaub mir, es war zu eurem eigenen Besten. Wie hätte ich mir je verzeihen können, wenn euch Mädchen etwas passiert wäre? Inzwischen aber bist du älter, und in Siena gibt es etwas, das dir deine Mutter hinterlassen hat. Dir allein. Ich weiß nicht, warum, aber so war Diane nun mal, Gott hab sie selig. Sie ist dort auf etwas gestoßen, und vermutlich befindet es sich immer noch dort. Nach dem zu urteilen, was sie darüber erzählt hat, ist es viel wertvoller als alles, was ich je besessen habe. Deswegen habe ich beschlossen, auf diese Weise vorzugehen und Janice das Haus zu überlassen. Eigentlich hatte ich gehofft, wir könnten all das vermeiden und Italien einfach vergessen, doch allmählich komme ich zu dem Schluss, dass es nicht richtig von mir wäre, es dir zu verschweigen.
    Wie auch immer, du musst diesen Schlüssel nehmen und die Bank im Palazzo Tolomei aufsuchen. In Siena. Ich glaube, er gehört zu einem Schließfach. Deine Mutter hatte ihn in ihrer Handtasche, als sie starb. Sie hatte in Siena einen Finanzberater, einen Mann namens Francesco Maconi. Mach ihn ausfindig und sag ihm, dass du Diane Tolomeis Tochter bist. Ach ja, da ist noch etwas. Ich habe eure Namen ändern lassen. Dein richtiger Name lautet Giulietta Tolomei. Aber wir sind hier in Amerika. Ich dachte mir, Julia Jacobs wäre praktischer, doch wie sich herausgestellt hat, kann auch das keiner richtig schreiben. Was ist bloß aus der Welt geworden? Nein, ich darf mich nicht beschweren, ich hatte ein gutes heben. Dank euch. Ach ja, noch etwas: Umberto wird dir einen Pass mit deinem richtigen Namen besorgen. Ich habe keine Ahnung, wie man so etwas anstellt, aber das macht nichts, wir überlassen es einfach ihm.
    Ich möchte diesen Brief nicht als Abschied verstanden wissen. So Gott will, sehen wir uns wieder. Trotzdem wollte ich dafür sorgen, dass du bekommst, was dir rechtmäßig zusteht. Pass dort drüben bloß gut auf dich auf. Denk daran, was deiner Mutter passiert ist. Italien ist manchmal ein sehr seltsames Land Deine Urgroßmutter wurde dort geboren, aber sie wollte nie mehr zurück! Verrate niemandem, was ich dir geschrieben habe. Und versuche mehr zu lächeln. Du hast ein so schönes Lächeln, wenn du dich mal dazu durchringst.
     
    Alles Liebe und Gottes Segen, deine Tante
     
    Es dauerte eine Weile, bis ich mich von dem Brief erholt hatte. Beim Lesen konnte ich fast hören, wie Tante Rose ihn diktierte. Sie klang im Tod noch genauso herrlich zerstreut, wie sie es zu Lebzeiten gewesen war. Als Umbertos Taschentuch schließlich seinen Dienst getan hatte, wollte er es nicht zurück. Stattdessen forderte er mich auf, es mit nach Italien zu nehmen, damit ich etwas hatte, das mich an ihn erinnerte, wenn ich meinen großen Schatz fand.
    »Jetzt hör aber auf!« Ich schneuzte mich ein letztes Mal. »Wir wissen doch beide, dass es keinen Schatz gibt!«
    Er griff nach dem Schlüssel. »Bist du denn gar nicht neugierig? Deine Tante war überzeugt davon, dass deine Mutter etwas von ungeheurem Wert entdeckt hatte.«
    »Warum hat sie mir dann nicht schon eher davon erzählt? Warum hat sie gewartet, bis sie ...« Ratlos hob ich die Arme. »Das ergibt doch keinen Sinn.«
    Umberto kniff die Augen zusammen. »Sie wollte es dir ja erzählen, aber du warst nie da.«
    Ich rieb mir das Gesicht, hauptsächlich, um seinem vorwurfsvollen Blick auszuweichen. »Selbst wenn sie recht hatte, kann ich unmöglich nach Italien zurück. Man würde mich dort sofort einsperren. Du weißt doch, dass sie zu mir gesagt haben ...«
    Genau genommen hatten sie - die italienische Polizei - weitaus mehr zu mir gesagt, als ich Umberto je erzählt hatte, aber er kannte immerhin die Grundzüge der Geschichte. Er wusste, dass ich in Rom einmal bei einer Antikriegsdemonstration verhaftet worden war und eine sehr unangenehme Nacht in einem römischen Gefängnis verbracht hatte, ehe man mich im Morgengrauen aus dem Land warf und aufforderte, nie wieder zurückzukommen. Er wusste auch, dass das Ganze nicht
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