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Julia

Julia

Titel: Julia
Autoren: Anne Fortier
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Augenbrauen fort, »ist eine gewisse Summe für Mister - für Umberto reserviert, und es ist auch die Rede von bestimmten gerahmten Fotografien, die Ihre Großtante gerne Miss Julia vermachen wollte.«
    »Kein Problem«, entgegnete Janice, »ich habe heute meinen großzügigen Tag.«
    »Moment mal ...« Ich trat einen Schritt zurück, weil ich die Neuigkeiten erst mal verdauen musste, »das ergibt doch keinen Sinn.«
    So lange ich denken konnte, hatte Tante Rose alles in ihrer Macht Stehende getan, um uns genau gleich zu behandeln.
    Lieber Himmel, ich hatte sie sogar dabei ertappt, wie sie die Pecannüsse in unserem Frühstücksmüsli zählte, um sicherzugehen, dass auch ja keine mehr bekam als die andere. Von dem Haus hatte sie stets so geredet, als würde es uns - eines Tages - gemeinsam gehören. »Ihr Mädels«, sagte sie immer, »müsst wirklich lernen, miteinander auszukommen. Ich werde schließlich nicht ewig leben. Wenn ich nicht mehr da bin, werdet ihr euch dieses Haus teilen, und den Garten auch.«
    »Ich verstehe Ihre Enttäuschung ...«, sagte Mr. Gallagher zu mir.
    »Enttäuschung?« Am liebsten hätte ich ihn am Kragen gepackt, schob aber stattdessen die Hände in die Taschen, so tief ich konnte. »Glauben Sie bloß nicht, dass ich Ihnen das abkaufe. Ich möchte das Testament sehen.« Als ich ihm direkt in die Augen schaute, merkte ich, wie er sich unter meinem Blick wand. »Hinter meinem Rücken ist doch irgendetwas im Gange ...«
    »Du warst schon immer eine schlechte Verliererin«, bemerkte Janice, die meine Wut mit einem genüsslichen Lächeln quittierte, »und genau das ist gerade mal wieder im Gange.«
    »Hier, bitte ...« Mit zitternden Händen ließ Mr. Gallagher seinen Aktenkoffer aufschnappen und reichte mir ein Dokument. »Das ist Ihre Kopie des Testaments. Ich fürchte, da gibt es nicht viel zu beanstanden.«
     
    Umberto fand mich zusammengekauert unter der Gartenlaube, die er mal für uns gebaut hatte, als Tante Rose mit Lungenentzündung das Bett hüten musste. Er ließ sich neben mir auf dem modrigen Boden nieder, ohne mein kindisches Verschwinden zu kommentieren. Stattdessen reichte er mir ein makellos gebügeltes Taschentuch und sah mir still dabei zu, wie ich mir die Nase putzte.
    »Es geht mir nicht um das Geld«, brachte ich zu meiner Entschuldigung vor. »Hast du ihr höhnisches Grinsen gesehen? Hast du gehört, was sie gesagt hat? Tante Rose ist ihr völlig egal. Das war schon immer so. Wie ungerecht das ist!«
    »Wer hat behauptet, das Leben sei gerecht?« Umberto zog die Augenbrauen hoch. »Ich bestimmt nicht.«
    »Ich weiß! Ich verstehe nur nicht ... Aber das ist mein Problem. Ich dachte immer, es wäre ihr ernst damit, uns beide gleich zu behandeln. Ich habe mir Geld geliehen ...« Ich schlug die Hände vors Gesicht, um seinen Blick nicht sehen zu müssen. »Nein, sag es nicht!«
    »Bist du fertig?«
    Ich stöhnte. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie fertig ich mich fühle.«
    »Gut.« Er reichte mir einen braunen Umschlag. »Weil sie nämlich wollte, das ich dir das hier gebe. Großes Geheimnis. Gallagher weiß nichts davon, und Janice auch nicht. Es ist nur für dich.«
    Sofort war ich misstrauisch. Es sah Tante Rose überhaupt nicht ähnlich, mir hinter Janices Rücken etwas zukommen zu lassen. Andererseits war es auch völlig untypisch für sie, dass sie mich in ihrem Testament nicht berücksichtigt hatte. Offensichtlich hatte ich die Tante meiner Mutter doch nicht so gut gekannt, wie ich glaubte, und mich selbst lernte ich auch erst jetzt so richtig kennen. Wie konnte ich nur hier sitzen - ausgerechnet an diesem ganz speziellen Tag - und wegen Geld weinen. Obwohl Tante Rose bereits Ende fünfzig war, als sie uns damals adoptierte, war sie immer wie eine Mutter zu uns gewesen. Ich sollte mich schämen, darüber hinaus noch etwas von ihr zu erwarten.
    Als ich den Umschlag schließlich öffnete, fand ich darin drei Dinge: einen Brief, einen Pass und einen Schlüssel.
    »Das ist ja mein Pass ! «, rief ich aus, »wie hat sie ... ?« Ich sah mir die Seite mit dem Bild genauer an. Es war definitiv ein Foto von mir, und auch mein Geburtsdatum, aber der Name stimmte nicht. »Giulietta? Giulietta Tolomei?«
    »So heißt du in Wirklichkeit. Deine Tante hat deinen Namen ändern lassen, als sie dich damals aus Italien herbrachte. Den von Janice auch.«
    Ich starrte ihn verblüfft an. »Aber warum denn? ... Wie lange weißt du das schon?«
    Er senkte den Blick. »Lies doch
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