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Juli, Die Viererkette

Juli, Die Viererkette

Titel: Juli, Die Viererkette
Autoren: Joachim Masannek
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Sechs.
    „Baumrattenmonsterquatsch! Du kannst wieder runterkommen! Das is’n Eichhörnchen, Krake!“
    „Ja, ganz genau“, dachte ich, „hau wieder ab!“ Doch leider war Krake nicht so helle im Kopf. Nach dem Irokesenkamm erschien seine Stirn mit dem Kreuzspinnennetz-Tattoo. Ich biss die Zähne zusammen und machte mich darauf gefasst, ihm gleich in die Augen zu schauen. Da hielt der Mistkerl doch tatsächlich an. Ich atmete auf. Die Verbindung zwischen seinem Gehirn und seinen Armen und Beinen hatte im letzten Moment funktioniert.
    „Warum sagst du mir das nicht gleich?“, motzte er seinen Anführer an, doch der lachte ihn aus.
    „Komm schon, vergiss es! Das putzige Tierchen hat für deine Mühe bezahlt. Hier!“
    Mit diesen Worten warf er ihm meine Glücksmünze zu. Krake fing sie auf und sprang vom Schlosstor hinab.
    „Ey! Die ist ja gar nichts mehr wert!“, meckerte er und drehte das rostige Markstück zwischen den Fingern.
    „So’n Pech aber auch! Da musst du dich wohl bei dem Eichhörnchen beschwer’n!“, grinste der Dicke Michi.
    Für einen Moment nahm Krake diesen Vorschlag echt ernst. Mir blieb das Herz stehen. Der Mistkerl wollte doch tatsächlich wieder auf den Torbogen rauf und sich bei meinem Fuchsschwanz beschwer’n. Doch dann hielten die Räder in seinem Gehirn ruckartig an und zeigten alle drei Kirschen. Hauptgewinn! Krake schüttelte seinen Kopf und warf die Münze weit weg in den Wald.
    „Und jetzt aber los!“, trieb der Dicke Michi seine Männer zum Aufbruch. „Es ist Party-Time! Oder wollt ihr die Süßigkeiten in euren Taschen vielleicht verschenken?“
    Dann marschierten sie los. Lachend und grölend zogen die Unbesiegbaren Sieger aus dem Finsterwald raus und in das brache Bauland hinein, das wir „Die Steppe“ nannten und vor dessen Horizont sich die „Graffiti-Burgen“ wie drei dunkle Türme erhoben.
    Ich atmete auf. Und ich kniff mich dreimal, bevor ich glauben konnte, dass ich immer noch lebte. Kreuzhühner und Kümmelkacke! Aber jetzt erwachten die Vögel, und mit ihnen sprang ich vom Tor und flog, so schnell ich konnte, nach Hause.

Heißer Kakao und große Geheimnisse
    Meine Mutter und mein kleiner Bruder Joschka waren schon auf. In der Küche des Fasanengartens roch es nach Kaffee und heißem Kakao, und die warmen Semmeln, die ich mitbrachte, machten das Frühstück perfekt. Oh, wie war ich froh, einen Bruder, eine Mutter und ein Zuhause zu haben. Das müsst ihr mir glauben, sonst hör ich hier und jetzt auf und behalte den Rest der Geschichte für mich. Ist euch das klar? Wollt ihr das?
    Gut! Dann sind wir uns einig. Vorausgesetzt, dass ihr es schwört! Ja, ihr habt richtig gehört. Klappt jetzt das Buch zu, legt eure Hand auf das Wilde Kerle- Zeichen und schwört: „Ich glaube daran, dass Juli „Huckleberry“ Fort Knox, die Viererkette in einer Person, seinen Bruder, seine Mutter und sein Zuhause aufrichtig liebt.“

    Los! Worauf wartet ihr noch? Klappt das Buch endlich zu und leistet den Schwur. Ich bitte euch darum. Leistet ihn für mich, auch wenn ihr es absolut lächerlich findet. Macht es heimlich, von mir aus, aber kriegt es irgendwie hin. Ich brauch eure Hilfe. Ich brauch eure Hilfe, indem ihr mir alle vertraut. Ich bitte euch, ich flehe euch an, denn sonst nimmt diese Geschichte ein schreckliches Ende.
    Okay!
    Dann eben nicht.
    Ich kann ja verstehen, dass ihr die Katze nicht im Sack kaufen wollt. Mir würde es ähnlich gehen. Vertrauen ist heutzutage eine heikle Sache. Kreuzkümmel und Hühnerkacke! Verflixt heikel sogar. Ja, und deshalb lasst euch Zeit mit dem Schwur. Aber merkt euch die Seite! Knickt ein Eselsohr rein! Das kann ein Wilde Kerle- Buch durchaus vertragen. Ja, und dann, wenn es höchste Eisenbahn wird, blättert ihr ganz schnell zurück zu dem Schwur. Abgemacht?
    Ich beobachtete meine Mutter. Sie schmierte die Semmeln, und ohne zu fragen, fand sie auch heute wie jeden Morgen heraus, worauf Joschka und ich einen Heißhunger hatten. „Zauberdrauf!“, nannte mein kleiner Bruder das immer oder „Überraschungswurstkäsemarmeladenquarkmurks“. Auch ich bewunderte meine Mutter dafür, und während ich meine Hände an der Kakaotasse wärmte, fragte ich mich wie jedes Mal: „Warum um alles in der Welt ist mein Vater nicht hier?“

    Mein Vater war das große Geheimnis, das meine Mutter vor uns verbarg. Ich wusste nichts über ihn. Naja, angeblich wusste ich alles. Ich wusste, dass er ein toller Kerl gewesen war, dass meine Mutter ihn
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