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Judith McNaught

Judith McNaught

Titel: Judith McNaught
Autoren: Legenden der Liebe
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Enttäuschung, aber dieses Mal ignorierte sie die
unmißverständliche Warnung in seiner täuschend sanften Stimme nicht.
    »Verstehen wir uns, meine
inquisitorische Schöne?«
    Sie nickte, versuchte aber dennoch
frech, die Situation zu ihren Gunsten zu beeinflussen, indem sie mit der Zunge
zart über seine Handfläche fuhr.
    Stephen schmunzelte über ihren Trick
und bewegte seine Hand, er war jedoch jetzt nicht mehr in der Stimmung für sexuelle
Spielchen oder eine Unterhaltung, und so drückte er ihr einen Kuß auf die Stirn
und ging.
    Draußen lag die Nacht in nassem,
grauem Nebel, durchbrochen nur vom schwachen, unheimlichen Licht der Gaslaternen.
Stephen nahm die Zügel von dem erleichterten Lakaien entgegen und redete
beruhigend auf die beiden jungen Braunen ein, die vor die Kutsche gespannt
waren. Sie stampften mit den Hufen und schüttelten die Mähnen. Sie befanden
sich zum ersten Mal in der Stadt, und als Stephen die Zügel lockerte, damit sie
in Trab fallen konnten, fiel ihm auf, daß das führende Pferd außerordentlich
ängstlich auf den Nebel reagierte. Jede Kleinigkeit machte das Tier nervös,
vom Geräusch der eigenen Hufe auf dem Kopfsteinpflaster bis hin zu den Schatten
unter den Laternen. Als linkerhand eine Tür zugeschlagen wurde, scheute es und
ging beinahe durch. Stephen zog automatisch die Zügel an und lenkte die Kutsche
die Middleberry Street hinunter. Die Pferde trabten flott dahin und schienen
sich nun ein wenig beruhigt zu haben. Plötzlich sprang eine Katze kreischend
hinter einem Obstkarren hervor, und ein Berg von Äpfeln rollte auf die Straße.
Zugleich schwang die Tür eines Pubs auf, und ein Lichtstrahl ergoß sich auf die
Straße. Ein Inferno brach los: Hunde heulten, die Pferde gerieten ins Rutschen
und bäumten sich in panischer Angst auf, da torkelte eine dunkle Gestalt aus
dem Pub, verschwand zwischen zwei Kutschen, die am Straßenrand standen ...
und tauchte direkt vor Stephens Kutsche wieder auf.
    Stephens Warnruf kam zu spät.

Zweites Kapitel

    Schwer auf seinen Stock gestützt, stand
der hochbetagte Butler in dem schäbigen Salon und lauschte mit respektvollem
Schweigen, während der erlauchte Besucher ihm mitteilte, daß sein Brotherr
gerade ein verfrühtes Ende gefunden habe. Erst als Lord Westmoreland seinen Bericht
beendet hatte, erlaubte es sich der Diener, eine Reaktion zu zeigen, und
selbst dann versuchte Hodgkin nur, die Sache herunterzureden. »Wie betrüblich
für den armen Lord Burleton, Mylord, und auch für Sie. Aber nun ja – Unfälle
geschehen eben, und Sie haben sich nichts vorzuwerfen. Ein Mißgeschick ist eben
ein Mißgeschick, deshalb heißt es ja auch so.«
    »Ich würde es kaum ein 'Mißgeschick'
nennen, wenn man einen Mann überfährt und tötet«, erwiderte Stephen mit einer
Bitterkeit, die er ausschließlich gegen sich selbst und nicht gegen den
Bediensteten richtete. Obwohl an dem Unfall zur frühen Morgenstunde
hauptsächlich der betrunkene junge Baron die Schuld trug, der vor Stephens
Kutsche auf die Straße getorkelt war, hatte letztlich doch Stephen die Zügel
gehalten, und er lebte und befand sich wohlauf, während der junge Burleton tot
war. Abgesehen davon gab es anscheinend niemanden, der das Dahinscheiden
Burletons betrauerte, und das erschien Stephen in diesem Moment als zusätzliche
Ungerechtigkeit. »Ihr Arbeitgeber hat doch sicherlich irgendwo eine Familie –
jemanden, dem ich persönlich über den Unfall Bericht erstatten kann?«
    Hodgkin schüttelte nur den Kopf. Ihn
beschäftigte im Augenblick allein die düstere Erkenntnis, daß er plötzlich
wieder arbeitslos war und es wahrscheinlich den Rest seines Lebens auch bleiben
würde. Er hatte diese Stelle nur bekommen, weil sich niemand sonst gefunden
hatte, der freiwillig als Butler, Kammerdiener, Lakai und Koch arbeitete –
zumal Burleton nur ein lächerlich niedriges Gehalt zahlen konnte.
    Peinlich berührt von seinem
kurzfristigen Anfall von Selbstmitleid und der daraus resultierenden
Unhöflichkeit, räusperte sich Hodgkin und fügte hastig hinzu: »Lord Burleton
hatte keine nahen lebenden Verwandten, wie ich – ich bereits gesagt habe. Und
da ich erst seit drei Wochen in den Diensten des Barons stehe, kenne ich seine
Bekannten nicht ...« Mit einem Ausdruck des Entsetzens hielt er inne. »Vor
lauter Schreck habe ich ganz seine Verlobte vergessen! Noch diese Woche sollten
die Hochzeitsfeierlichkeiten stattfinden.«
    Eine neue Welle von Schuldgefühl
überschwemmte Stephen, aber
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