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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl
Autoren: Marc Ritter
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gespannt, Herr Hartinger.«
    »Schau her, Bernbacher, da drüben, wo deine POMs gerade das rot-weiße Absperrband durchs Gelände ziehen und dabei wahrscheinlich die eine oder andere Spur zerstören, da liegt ein toter Mann, gekleidet im Habit eines Franziskanermönchs, dem Anschein nach erdrosselt mit seiner weißen Kordel. So weit d‘accord, ich meine: Sind wir uns da einigt«
    »Ich kann folgen, Herr Hartinger.«
    »Echt? Hammer. Also: Diesen armen Menschen habe ich um kurz nach halb sechs gefunden. Wenn du’s genau wissen willst: Ich war um 17 Uhr 34 Minuten und 24 Sekunden bei der Leiche – zumindest nach dieser Uhr hier. Ich bin runtergerannt in die Hasentalstraße und hab euch vom Erstbesten, der mir aufgemacht hat, angerufen. Das war um 17 Uhr 42 Minuten, wie dir dein Telefon-Computer sicher bestätigen wird. Ihr wart exakt um fünf vor sechs vor Ort. Ich frag mich zwar, wieso ihr für die Strecke von der Münchner Straße hier rauf dreizehn Minuten braucht, aber was geht‘s mich an, wenn ihr eure schicken Schesen schiebt.« Hartinger war ganz kurz ein wenig stolz auf die Alliteration, vergaß aber im nächsten Moment seine aufgesetzte Ruhe und verfiel in gedämpftes Schreien: »Und seit kurz nach sechs sitze ich jetzt mit dir in deiner Bullenschleuder, und du schaust dir die Leiche nicht mal anständig an – was gut ist, denn sonst würdest du noch mehr Spuren zertrampeln, als das POM Fritz und Kollegen dort drüben eh schon machen. Würdest du das allerdings auf dich nehmen und hättest du auch nur eine Viertelstunde in der Polizeischule aufgepasst, könntest du allein aus dem Befall des Toten mit Schmeißfliegenlarven schließen, dass der Tote diese Bezeichnung schon mindestens seit vier Stunden, also seit mindestens zwei Uhr Nachmittag, verdient.«
    Bernbacher schnaubte. »Fertig mit der Vorlesung, Hartinger? Unverschämt brauchst übrigens nicht werden, weil sonst. . .«
    » Herr Hartinger, bitte! Nein, Bernbacher, fertig bin ich noch lang nicht, denn jetzt kommt‘s: Länger als sechs Stunden liegt er auch nicht, denn sonst hätten ihn die Weiberl gefunden, die hier jeden Mittag genau um zwölf die Blumen am Kreuz gießen. War früher so und wird immer noch so sein.« Hartinger beruhigte sich allmählich und holte genüsslich zum Schlussakkord aus: »So, und jetzt kommt dem Hartinger Gonzo sein wasserdichtes Alibi, Bernbacher: Von acht bis kurz vor elf in der Früh war ich bei meinem Steuerberater, dann von elf bis eins war ich – du erinnerst dich: dein Hauptverdächtiger – bei der Frau Dr. Frankenthaler in Behandlung, Zahnstein und Gekröse aus den Lücken entfernen. Tut schlimm weh am Anfang, man riecht danach aber besser aus dem Mund. Solltest du auch mal versuchen. Und wart, von eins bis fünf hab ich dann heut tatsächlich was gearbeitet: Die vom Tagblatt haben mich erst zur Eröffnung einer Waschstraße in die Zugspitzstraße und anschließend in die Berufsschule geschickt, Abschlussklassen fotografieren. Jede Menge Leute, die mich da gesehen haben. Und den Reporter von der Lokalzeitung vergisst auch keiner, weil der sich immer vorn hinstellt und erst geht, wenn er was zu essen bekommen hat.«
    »Wär‘s das jetzt, Herr Hartinger?« Bernbacher, genervt.
    »Fürs Erste: ja.« Hartinger, ermattet.
    Bernbacher holte kurz Luft, schaute geradeaus durch die Frontscheibe des Audi auf den fünfzig Meter weiter oben befindlichen Leichenfundort und holte aus: »So, dann erzähl ich dir mal, welche Situation sich mir als leitendem Ermittler hier bietet: toter Mann, zwischen fünfundzwanzig und fünfunddreißig Jahre alt, stranguliert, trägt Mönchskutte, liegt auf einem Hügel unter einem großen Kreuz mit weithin leuchtendem vergoldeten Messias. Hier werden Messen unter freiem Himmel gelesen. Ein heiliger Ort quasi. Der einzige Mensch, der den toten Mann, allem Anschein nach einen Mann der Kirche, bereits tot aufgefunden haben will, ist der stadtbekannte Gewalttäter und Pfaffenhasser Karl-Heinz Hartinger, vor über zwanzig Jahren verschwunden aus der Gemeinde und seit ein paar Wochen wieder hier am Ort, kein Mensch weiß, warum. Und wenn ich dich jetzt nicht verhafte und augenblicklich wegsperre, dann nur deswegen, weil ich‘s einfach nicht glaube, dass du, den ich, seitdem wir Kinder waren, kenne, hier einen umgebracht haben sollst. Und weil ich dich sowieso wiederfinde und dich, wenn du den Ort verlässt, innerhalb von zehn Minuten weltweit zur Fahndung ausgeschrieben habe. Du gehst jetzt
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