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Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt

Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt

Titel: Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt
Autoren: Henning Mankell
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Mann, mit dem sie verheiratet war, böse werden? Vielleicht gab es ein Gesetz, das Samuel und ihm verbot, sie zu besuchen, ohne sie vorher zu benachrichtigen. Samuel wusste bestimmt nicht, wie viele Gesetze es gab. Und was wusste er selber? Nichts.
    Joel sah Samuel an. Erwachsene waren merkwürdig. Wie konnte Samuel so ruhig schlafen? Er musste doch genauso aufgeregt sein wie Joel. Aber er schlief. Ganz ruhig, die Hände auf der Brust gefaltet. Oder sah er aus, als ob er betete?
    Lieber Gott, mach, dass Jenny sich freut, mich wieder zu sehen. Und Joel. Amen.
    Joel setzte sich wieder ans Fenster. Der Zug schwankte durch eine lang gezogene Kurve. Zwischen den Baumstämmen schimmerte ein See. In der Fensterscheibe spiegelte sich sein Gesicht. Seine Haare waren kurz geschnitten. Fast hatte er einen Stoppelkopf. Vorn über der Stirn hatte er einen Wirbel, dort standen seine Haare immer aufgerichtet. Wie viel Wasser er auch benutzte, um den Wirbel zu bekämpfen, die Haare standen aufrecht.
    Vielleicht würde Mama Jenny ihn hässlich finden?
    Ich weiß nichts, dachte Joel. Das ist das Allerschlimmste. Nichts zu wissen.
    Er legte sich wieder auf die Bank. Der Zug schwankte und bebte. Er versuchte die Stöße zu zählen.
    Dann schlief er ein.
    Joel wurde wach, weil der Zug hielt. Als er die Augen aufschlug, wusste er sofort, wo er war. Aber als er zur anderen Bank hinüberschaute, war Samuel nicht da. Er richtete sich auf. Es war ganz still. Er öffnete die Tür zum Gang. Da war Samuel. Er hatte ein Fenster heruntergezogen. Er lächelte, als er Joel entdeckte.» Hab ich dich geweckt?« »Warum hält der Zug?«
    Joel war so verschlafen, dass es ihm schwer fiel, die Augen offen zu halten.
    »Vielleicht müssen wir einen Zug vorbeilassen. Oder ein Signal steht auf Rot.«
    »Wo sind wir? Wie spät ist es?«
    »In einer Stunde sind wir in Orsa.«
    »Ist der Wald jetzt zu Ende?«
    Samuel lachte auf. »Ja«, antwortete er, »jetzt ist der Wald zu Ende. Für dieses Mal.«
    »Stehst du deswegen hier? Willst du dir die Bäume angucken?«
    »Vielleicht.«
    Joel hatte ein Gefühl, dass Samuel in Ruhe gelassen werden wollte. Vielleicht dachte er an Mama Jenny. »Ich leg mich wieder hin«, sagte er.
    Joel schlief auf der Stelle wieder ein. Als er aufwachte, war es heller Morgen. Die Sonne schien. Samuel saß am Fenster und trank Kaffee. Joel sprang auf, als ob es ein Schultag wäre und er verschlafen hätte. »Sind wir immer noch nicht in Orsa?«
    »Da sind wir schon durchgefahren, auch durch Mora.« Joel sah aus dem Fenster. Die Landschaft hatte sich verändert. Er traute kaum seinen Augen. Ein großes Wasser breitete sich aus.
    »Der Siljansee ist schön«, sagte Samuel. »Da muss man schon ans Meer denken.«
    »Das sag ich doch«, sagte Joel. »Was hast du eigentlich im Wald zu suchen, wenn du doch das Meer sehen willst?« Samuel schüttelte langsam den Kopf. Aber er sagte nichts. Joel ging hinaus und trank Wasser.
    Dann frühstückten sie. In Rättvik stieg ein altes Paar zu. Der Mann und die Frau unterhielten sich. Sie redeten ganz anders als die Leute zu Hause in ihrem Ort. Joel hätte fast losgelacht. Samuel merkte es und sah ihn streng an. In Krylbo stiegen sie um. Das Bahnhofsgebäude war sehr groß. Samuel hatte Angst, sie könnten in den falschen Zug steigen. Drei Mal fragte er verschiedene Bahnbeamte, ob sie auch auf dem richtigen Bahnsteig wären. Als der Zug kam, mussten sie eine Weile suchen, ehe sie Sitzplätze fanden. Joel bekam einen Platz an der Tür. Als Samuel mit ihm reden wollte, war er gereizt. Er mochte es nicht, wenn Samuel mit ihm sprach, während andere zuhörten. Er tat so, als ob er schliefe. Und da schlief er wieder ein.
    Ab Sala hatten sie mehr Platz im Abteil. Sie aßen den Rest ihres Reiseproviants.
    »Jetzt sind es nur noch vier Stunden, dann sind wir da«, sagte Samuel.
    Es wurden die längsten vier Stunden in Joels Leben. Er versuchte den Zug mit seinen Gedanken anzutreiben. Gleichzeitig versuchte er die Fahrt zu bremsen. Er wollte ankommen und wollte es auch nicht.
    Schließlich kamen sie jedenfalls in Stockholm an. Die anderen Mitreisenden aus dem Abteil verschwanden. Draußen auf dem Bahnsteig herrschten Lärm und Durcheinander. Samuel und Joel saßen sich auf ihren Bänken gegenüber. Beide hielten krampfhaft ihr Gepäck fest. Auf dem Tisch am Fenster stand der Karton mit
Celestine.
    Samuel wirkte plötzlich ganz klein und unsicher. Er bereut es, dachte Joel wütend. Jetzt möchte er am liebsten
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