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Jimmy der Mops

Jimmy der Mops

Titel: Jimmy der Mops
Autoren: Miriam Pharo
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an Pflanzen zu verschwenden und zum wiederholten Male frage ich mich, warum die Städteplaner nicht einfach auf lebendes Gewächs verzichtet haben.
      Valeri Duchasnel stellt sich als eindrucksvolle Erscheinung in weißem Leinen mit Bassstimme und theatralischem Gehabe heraus, das man ihm gern verzeiht.
      „Herr D., Sie waren gestern Abend im Leopold …“
      „Nennen Sie mich Kenny.“ Er lächelt mich breit an. Ich habe mich als ein Fan ausgegeben und so auf Anhieb sein Wohlwollen erlangt.  
      „In Ordnung … Kenny. Sie haben gestern mit einem Herrn gespeist, graue Augen, etwas vierschrötig. Können Sie sich erinnern?“
      „Aber natürlich. Er kannte sich mit Alarmsystemen gut aus.“
      „Warum haben Sie sich zu ihm gesetzt?“
      „Er wirkte gescheit und ich dachte, er würde meine Gesellschaft zu würdigen wissen. Mein viertes Album „Trigital Brand“ hat sich über zwei Milliarden Mal verkauft, wussten Sie das?“
      „Selbstverständlich. Ihre Musik hat die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts maßgeblich geprägt.“ Was nicht einmal gelogen ist. „Worüber haben Sie mit dem Mann gesprochen?“
      „Über dies und das, aber vor allem über unser lasches Sicherheitssystem. Nicht auszudenken, wenn ein Stalker die Mauern meines Anwesens überwindet!“
      „Das würde niemand wagen, Kenny. Dafür haben die Menschen zu viel Respekt vor Ihnen.“
      „Sie haben Recht. Und doch ist die Zeit nicht spurlos an mir vorübergegangen. Trotz Defroisseur. Früher strömten die Frauen scharenweise hierher.“
      „Ach was! Sie haben Ihre besten Jahre noch vor sich. Haben Sie dem Mann von gestern Abend einen Drink spendiert?“
      „Nein, aber der Garçon hat uns echten Champagner serviert. Ein Geschenk des Hauses. Nach einem Glas bin ich gegangen. Im Laufe unseres Gesprächs stellte sich der Herr an meinem Tisch als nicht sehr gute Gesellschaft heraus. Er hatte keine Ahnung, wer ich bin und ich begann mich zu langweilen.“
      „Das ist unverzeihlich!“
    „So ist es, junger Mann. Ich verrate Ihnen jetzt etwas. Es ist niemals an die Öffentlichkeit durchgesickert, aber in den Vierzigerjahren hatte ich eine Affäre mit La Donna St. John. Ein chilenisches Playmate und …“
      So geht es noch eine Weile, ohne dass ich etwas Neues erfahre. Inzwischen bin ich fast zu der Überzeugung gelangt, dass der Bolzen ohne Valeri Duchasnels Zutun in Jimmys Brust gelangt ist, zumal zwischen den beiden außer einem gemeinsamen Abendessen keine Verbindung besteht. Mit dem Versprechen, ihn bald wieder zu besuchen, verabschiede ich mich von dem Extrakt und rufe beim Hinausgehen den Bericht über Lena Wittgenstein ab. Zwar existiert laut Zubys Nachforschungen auch hier keine offenkundige Verbindung zu Jimmy Marquard, dafür füllt die Leiterin des Leopold bei DELFI, der Verbrecherdatei der Europäischen Föderation, einen ganzen Aktenschrank. Im Laufe der letzten fünfzig Jahre geriet sie unzählige Male mit dem Gesetz in Konflikt, zuletzt als Mitbegründerin der faschistoiden Vereinigung für ein Neues Isar Auen. Ich kann mich schwach an die Schlagzeile bei YIN, dem Yahoogle Investigation Network,   vor zwei Jahren erinnern, als die Vereinigung in ihrer Absichtserklärung verkündete, alle Einwohner aus München City verbannen zu wollen, die jünger sind als siebzig.
      Um mir ein Bild von Jimmys Umfeld zu machen, statte ich ihm am frühen Abend einen Besuch ab; aber vor allem will ich wissen, wie er zu Lena Wittgenstein steht, bevor ich sie in die Mangel nehme. Mittlerweile hat Sphäre5 die Dämmerung eingeläutet: Die Wischer am Himmel sind zartrosa angehaucht, Mosaike, Balkone und Portale erstrahlen in den
schillerndsten
Farben. Auf dem Steinbrunnen vor Jimmys Laden hockt ein weißblauer Löwe und spuckt im hohen Bogen virtuelles Wasser in das Becken. Beim Anblick des nassen Goldes überkommt mich der Durst, was wohl der Zweck der Übung ist, und ich steuere den Beckenrand an, dort wo ein blaues Tropfensymbol im Stein eingemeißelt ist. Bei meiner Ankunft und Registrierung in München City wurde mir von offizieller Seite eine TransApp auf meinen rechten Unterarm aufgepinselt: ein dünner Film aus Nanozellen, der sich mit der menschlichen Epidermis verbindet, und auf dem meine Kontodaten gespeichert sind. Als ich mit dem Arm über den Brunnenrand fahre, scheint sich das Tropfensymbol zu verflüssigen: meine kostenlose Wasserration für diesen Tag. Gierig nehme ich einen der bereitstehenden Becher
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