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Jimmy der Mops

Jimmy der Mops

Titel: Jimmy der Mops
Autoren: Miriam Pharo
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wieder an und verbeuge mich artig, bevor ich den Rückzug antrete. Die Xanthippe will ich etwas genauer unter die Lupe nehmen, und ich weiß auch schon, wer mir dabei helfen wird.
      „Hallo Zuby.“
      Über den Neurokommunikator könnte ich an jedem beliebigen Ort den Kontakt zu meiner Ex-Kollegin herstellen, doch in meinem Büro erscheint es mir am Klügsten, zumal es abhörsicher ist. Sofern so etwas überhaupt möglich ist, wenn man sich die GCS mit zehn Milliarden anderen Menschen teilt.
      „Luc, was für eine nette Überraschung!“ Eine unscheinbare Frau mit warmen, dunklen Augen ist mitten im Zimmer aufgepoppt. Sie wirkt ehrlich erfreut.
      „Lucio“, verbessere ich sie und lächele.  
      „Ich verstehe.“ Kurze Pause. „Wie geht’s dir? Ich habe gehört, du hast den Dienst quittiert.“
      Ich zucke lediglich mit den Schultern. Quittiert worden wäre wohl die treffendere Bezeichnung.
      Weil Zuby eine intelligente Frau ist, wechselt sie das Thema. „Wie lange ist es her? Drei Jahre? Haben wir damals nicht diesen Saukerl von Finanzminister mit der Hand in der Unterhose eines Jungen erwischt? Es war in Zürich, glaube ich.“ Sie lacht und ihre Augen blitzen hart auf.
      Erneut verkneife ich mir die Antwort. Eine weitere Erinnerung, auf die ich gern verzichten würde.
      „Mari hat’s gefreut“, setzt Zuby in heiterem Ton fort. „Ein Störenfried weniger auf ihrer roten Liste.“
      Als ich den Namen der Frau höre, die mich eiskalt abserviert hat, nachdem ich ihr über zehn Jahre treu gedient habe, kommt mir die Galle hoch. Vielleicht ist Zuby doch nicht so intelligent, wie ich dachte. Andererseits hat sie schon immer gern Spielchen gespielt. Ich nehme es ihr nicht übel. Wir beide sind uns diesbezüglich sehr ähnlich.
      Sie scheint mir die Gedanken von den Augen abzulesen, denn in diesem Moment huscht ein ernster Ausdruck über ihr Gesicht. „Ok, lassen wir den Small Talk. Wie kann ich dir helfen?“
      Das ist das Stichwort und ich lege los.
     
     

3. Ein Geschenk des Hauses
     
      Unweit vom Seeshaupter Rondell führt eine zypressengesäumte Allee schnurgerade zu einem weißen, klassizistischen Haus mit hohen schmalen Fenstern: das Beau Rivage , ein Asyl für Extrakte, in dem eine Handvoll Patienten rund um die Uhr von einem Pflegepersonal aus Fleisch und Blut betreut wird. Extrakte sind Individuen mit einem besonderen Talent oder außergewöhnlichen Aussehen, die für viel Geld die Rechte an ihrer Person abtreten und pixeligen Abbildern menschlichen Daseins ihre Seele vermachen. Vor über zwanzig Jahren hat Valeri Duchasnel, der weißhaarige Unbekannte aus dem Leopold, ein begnadeter Sänger und Gitarrist, genau das getan und damit die beispiellose Karriere von KennyD geebnet, einem weltbekannten Cyber-Rockstar. Noch heute singt dieser mit Duchasnels Stimme, betört mit dessen tiefgründigen Künstleraugen ein Milliardenpublikum und vollbringt wahre Wunder auf der Gitarre. Im Gegenzug sind Duchasnels eigene Gehversuche auf der Bühne kläglich gescheitert. Niemand hat ihn sehen oder hören wollen. Wie viele andere Extrakte auch hat er die Erkenntnis niemals verwunden, dass die Welt ihm ein Trugbild vorzieht, und ist schließlich im Beau Rivage gelandet. Inzwischen gaukelt ihm sein Verstand vor, KennyD zu sein. Wie mir Zuby wenig später versichert – als inoffizielle Mitarbeiterin des Europäischen Verwaltungsrats verfügt sie über vertrauenswürdige Quellen – ist Valeri Duchasnel ein harmloser, wenn auch wohlhabender Irrer, der dreimal in der Woche Freigang hat.
      Im Asyl gebe ich mich als freier Autor aus, der für den Musikkanal WOJ einen Bericht über Duchasnels Anleihen aus Blues und Jazz machen will, und man gewährt uns eine Stunde draußen im Garten, der zur Straße hin durch eine hohe Mauer begrenzt ist. Wir setzen uns auf eine Bank, die um den Stamm einer imposanten Rosskastanie verläuft. Prompt beginnt es im Laubwerk über unseren Köpfen zu rascheln und ich bilde mir ein, eine warme Brise in meinem Nacken zu spüren. Erneut packt mich die Neugier und ich unterbreche Regency für einen kurzen Moment. Ein Fehler. War es mir bisher gelungen, den unterschwelligen Geruch von Hartgummi zu verdrängen, trifft er mich nun wie ein Schlag ins Gesicht. Das Gras unter meinen Füßen ist braun und zertrampelt, das Haus klotzig und streng und statt der Kastanie fristet ein Königsfarn mit verwelkten Wedelblättern ein trauriges Dasein. Wasser ist zu kostbar, um sie
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