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Jimmy der Mops

Jimmy der Mops

Titel: Jimmy der Mops
Autoren: Miriam Pharo
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um einen direkten Kanal zur GCS, der globalen Plattform für Kommunikation, Information, Business und Entertainment, zu öffnen und sein Profil aufzurufen, doch für den Moment bleibt der Neurokommunikator in meiner Hornhaut deaktiviert und ich genieße die seltene Waffenruhe zwischen mir und dem Rest der Welt.
      „Angenehm. Ich bin Lucio Verdict.“
      „Ich weiß! Sonst wäre ich ja wohl nicht hier!“, dröhnt es mir entgegen. Es folgt ein erregtes, durch die Nase herausgepresstes Schnaufen, das mich spontan dazu veranlasst, den Poller durch einen Mops zu ersetzen. „Ich dachte, Sie wären älter. Und nicht so verdammt hübsch !“  
      Innerlich lächle ich. Männer mit perfekt modellierten Zügen werden oft unterschätzt, was immense Vorteile mit sich bringt und einer der Gründe ist, warum ich mir vor zehn Jahren auf Staatskosten genau dieses Gesicht habe machen lassen. Missbilligend verziehe ich die wohlgeformten Lippen, kneife die dunkelblauen Mandelaugen zusammen und fahre betont gelassen durch mein volles kastanienbraunes Haar. „Nun, Herr Mar …“
      „Nennen Sie mich Jimmy!“
      „Also gut, … Jimmy.“ In einer geschmeidigen Bewegung lehne ich mich gegen den Schreibtisch, ohne mein Gegenüber aus den Augen zu lassen. „Erzählen Sie mir mehr über dieses Ding in Ihrer Brust. Oder noch besser: Lassen Sie Ihre Gedanken für sich sprechen!“
      Während Jimmy der Mops meine laut gestellten Fragen über den Neurokommunikator mental beantwortet, rhythmisch begleitet von dem nervösen Zappeln seines rechten Beins, schaue ich durchs Bullauge nach draußen. Vor genau zwei Wochen bin ich in den Isar Auen angekommen. Beladen mit zwei Koffern, einer Geldkarte mit zehntausend Eurodollar, die mir Elias Kosloff bei unserem Abschied vermacht hat, und einem vierjährigen Kind, das kein Wort Deutsch spricht. Aber das ist eine andere Geschichte.
      Der Kontrast zu Hanseapolis könnte nicht größer sein. Während der Moloch zwischen Nord- und Ostsee mit seiner wolkenkratzenden Silhouette kokettiert und von Gleitern, Lufttaxen und Frachtern millionenfach umschwärmt wird, ist das höchste Bauwerk in den Auen der Schinken Tony am Stachus , ein dreihundert Meter hoher Maibaum. Die weitläufige Region verdankt ihren Namen dem leeren Flussbett der Isar – ein Schmiss im Antlitz einer Landschaft, die zu lange der Sonne ausgesetzt worden ist. Von oben betrachtet gleichen die Auen einem braun marmorierten Vlies, aus dem ein Kind mutwillig drei große Löcher herausgeschnitten hat, um sie mit bunten Luftballons zu füllen. Nachdem Sonne und Wind aus Starnberger, Ammer- und Chiemsee jegliches Leben ausgesaugt hatten, bis nur noch leere Augenhöhlen übrig blieben, hat man auf dem trockenen Grund sieben Biosphären erbaut – im Volksmund „Karbunkel“ genannt: künstliche Blasen, gefüllt mit einem Sauerstoff-Kohlendioxid-Luftgemisch, das in Europa zuletzt vor dem Industriezeitalter eingeatmet wurde. Jede von ihnen ist einzigartig: Sphäre1 im nördlichen Teil des ehemaligen Ammersees zum Beispiel ist mit seinen Weizenfeldern, Pappelhainen und Holzhäusern von kitschiger Schäferromantik geprägt, während Sphäre5 am südlichen Bogen des Starnberger Grabens, wo sich mein Büro befindet, durch breite Alleen und prachtvolle Villen besticht. Die knapp fünfhunderttausend Einwohner sind mit viel Geld und Lebenserfahrung gesegnet; das Durchschnittsalter hier beträgt zweiundneunzig Jahre. Junge Leute dürfen sich den Alten nur mit Sondergenehmigung oder Arbeitserlaubnis nähern. Ich besitze beides.
      Nördlich der „Karbunkel“ hockt München City wie eine fette Spinne in einem Netz aus Polymerröhren – die Tube –, deren Expressbahnen das Zentrum mit dem Rest der Welt verbinden. Die Stadt zählt rund fünf Millionen Einwohner und gehört damit zu den kleinsten Metropolen in der Europäischen Föderation. Das Kind und ich wohnen in einer der kleineren Siedlungen zwischen City und Sphäre1 . Unser neues Zuhause liegt am Tube-Abschnitt 15, Apartment 1443. Mir kommt es vor, als würde sich in den Isar Auen alles unweit irgendeiner Expressbahn befinden. Da hier praktisch keine Flugaktivitäten stattfinden, steigt und fällt das öffentliche Leben mit dem Pulsieren der Tube.  
     
     

2. Sei willig, brüll’ bis vier
     
      Scharfe Sprengsätze verursachen bei mir gewöhnlich Juckreiz an schwer zugänglichen Stellen, und als Jimmy mein Büro verlässt, atme ich befreit auf. Eigenartig, dass die Detektoren
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