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Jim

Jim

Titel: Jim
Autoren: Thomas Lang
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via Kreditkarte jeden Monat diskret vierzig Euro von seinem Konto abbuchte. Er war jetzt doch ein bisschen geil. Es dauerte, bis die Startseite geladen war. Opitz schaute aus dem Fenster; er wollte wissen, ob Jim schon gefressen hatte. Da sah er den blonden Schopf seiner Frau zwischen den Sträuchern leuchten. Sie saß mit dem Rücken zum Haus auf einem Gartenstuhl, und sie hatte keinen Angorapulli an, wie er im ersten Moment dachte, sondern Jims haarige Arme um sich geschlungen. Die beiden schmusten innig. Anna fürchtete sich nicht vor dem Affen. Auf dem Tisch neben den beiden stand ein kleines Schienenkörbchen. Vielleicht hatte sie ihrem Liebling Heidelbeeren mitgebracht oder sogar Himbeeren. Süßigkeitenwaren tabu, Orang-Utans neigten in Gefangenschaft zur Verfettung.
    Jim löste die Umarmung, sprang von Annas Schoß und kugelte über die Schultern spielerisch durch den Garten. Er sprang auf und holte mit seinen langen Armen sein Spieltuch aus der hoch über seinem Kopf ansetzenden Gabelung eines Baumstamms. Wenn er sich aufrichtete, wirkten seine Beine zu kurz und zu dünn für den Rest des Körpers. Auf allen vieren eilte das Tier zurück. Opitz sah ihn deutlich kauen. Knapp an Anna vorbei spuckte Jim in einem kräftigen Strahl gelblichen Brei auf den Boden. Er hielt ihr sein Tuch hin, das mehr einem Sack ähnelte, ließ es gleich darauf aber fallen und setzte sich. Mit weit vorgebeugtem Oberkörper und über den Boden wischenden Armen klaubte er irgendwelches Zeug zusammen, das er gleich darauf mit den Lippen aufnahm, um erneut mit Kauen zu beginnen. Diesmal spuckte er nicht, sondern legte sich auf den Rücken, ließ Arme und Beine zu den Seiten sinken. Niemand konnte entspannter wirken als Jim.
    Anna stand auf und wandte sich dem Haus zu. Ihr Blick wanderte über die Fassade, sie konnte ihren Mann hinter den spiegelnden Scheiben sicher nicht sehen. In ihrem Gesicht lag ein Lächeln. Ihr großer Mund ließ ihre großen weißen Zähne sehen, ihre Augen schienen bis herauf ins erste Stockwerk zu leuchten. Sie ging nicht einfach zum Haus zurück, sie schritt. Jim entfernte sich in die andere Richtung. Erbewegte sich nun auf den Händen fort. Die Beine zog er an und ließ seinen Körper zwischen den aufgestützten Armen nach vorn schaukeln. Sein Gesäß schrubbte über das Gras. Die Füße schienen den Boden kaum zu berühren, wenn er die Arme für den nächsten Schritt, oder wie man das nennen sollte, nach vorn holte.
    Opitz freute sich, dass Anna zurück war. Er hörte, wie sie seinen Namen rief. Darauf rief er auch den ihren. Ohne Bedauern klickte er die Bilder von den unbekleideten Flittchen weg, die sich im Browserfenster schamlos befingerten.
    Sie sagten sich Hallo. Zum abertausendsten Mal fiel ihm auf, wie fest und kräftig Annas Lippen waren. Sie bewegten sich, als führten sie ein Eigenleben. Die schmale Rinne zwischen Nase und Mund, die er bei sich fühlen konnte, war bei ihr kaum vorhanden. Auch ihre Oberlippe war nicht geschwungen wie seine. Er fand das viel hübscher als einen klassischen Kussmund. Es passte so gut zu ihr. Anna war keine Frau für Bilder oder Posen. Alles an ihr war echtes, richtiges Leben und bestimmt für das Leben. Er wünschte sich, sie bei der Hand zu nehmen und ins Schlafzimmer zu ziehen. Sie hatten schon lange nicht mehr miteinander geschlafen, sein Zustand erlaubte es kaum.
    «Tobias hat angerufen», sagte er zu ihr.
    Anna horchte auf, als sie Mundts Namen hörte. Ihr Lächeln wurde noch wärmer, die Augen noch fröhlicher.
    «Er will heute Nachmittag vorbeikommen.»
    Sie schwieg.
    «Falls du ihn nicht schon in der Stadt getroffen hast.»
    «Hast du Jim etwas gegeben? Er wirkte hungrig.»
    Ihr Ton war niemals vorwurfsvoll. Opitz nickte. Er wollte ihr von seinem Schmerzanfall berichten. Davor kam noch etwas anderes, das ihn beschäftigte.
    «Du warst einkaufen, stimmt’s?»
    «Ich hab ein Gartenbett gekauft. Bei Manufactum.»
    Sie strahlte, als würde sie von einem ganz besonderen Fund erzählen. «Dir hab ich auch was mitgebracht.»
    Anna zeigte auf eine große braune Papiertüte. Ihr Lachen verschwand plötzlich, sie schaute zur Seite und zupfte an einer Topfpflanze herum. Beim Anblick der Tüte dachte Opitz an ein Steinofenbrot von Manufactums brot&butter. Das liebte er so.

Mittelfinger
    Ein Gartenbett? Opitz hatte keine klare Vorstellung von diesem Gegenstand. Dass es ein Bett für draußen wäre, wollte er nicht glauben. Er erinnerte sich wohl, dass Anna in früheren
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