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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen
Autoren: Clive Barker
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Faust um den feuchten, heißen Griff ein wunderbares Gefühl. Eine Prophezeiung; ein Beweis.
    Er zog das Messer grinsend aus Homers Augapfel und stieß es, bevor sein Opfer an der Tür hinabrutschen konnte, bis zum Heft in Homers Hals. Dieses Mal ließ er es nicht stecken. Er zog es heraus, sobald Homers Schreie aufgehört hatten, und stieß es dem Mann mitten in die Brust. Er stieß auf Knochen und mußte fest drücken, aber er war plötzlich sehr stark.
    Homer keuchte, und Blut quoll ihm aus dem Mund und der Verletzung am Hals. Jaffe zog das Messer heraus. Er stieß nicht noch einmal zu. Statt dessen rieb er das Messer mit seinem Taschentuch ab und drehte sich um, damit er seinen nächsten Zug überlegen konnte. Wenn er die Postsäcke zum Ofen schleppte, lief er Gefahr, entdeckt zu werden. Und obschon er sich in Hochstimmung befand und vom Tod des Kotzbrockens Homer angetörnt war, war er sich der Gefahr, entdeckt zu werden, bewußt. Es wäre besser, den Ofen hierher zu bringen. Schließlich war Feuer ein bewegliches Element. Es war nur ein Streichholz erforderlich, und das besaß Homer. Er wandte sich wieder dem zusammengesunkenen Leichnam zu und suchte in den Taschen nach einem Päckchen Streichhölzer.
    Nachdem er eins gefunden hatte, nahm er es und ging zu den Postsäcken hinüber.
    Als er die Flamme an die Irrläufer hielt, empfand er überraschenderweise Traurigkeit. Er hatte so viele Wochen hier ver-21
    bracht - in einer Art Delirium versunken und trunken von Geheimnissen. Dies war das Lebewohl zu alledem. Danach - Homer tot, die Briefe verbrannt - war er ein Flüchtling, ein Mann ohne Vergangenheit, von einer ›Kunst‹ angezogen, über die er nichts wußte, die er aber sehnlicher als alles andere ausüben wollte.
    Er knüllte ein paar Seiten zusammen, damit die Flammen erste Nahrung hatten. War es erst einmal in Gang, würde sich das Feuer selbst erhalten können, daran zweifelte er nicht: Im ganzen Zimmer befand sich nichts, das nicht brennbar gewesen wäre - Papier, Stoff, Fleisch. Nachdem er drei Papierhäufchen aufgeschichtet hatte, zündete er das Streichholz an. Die Flamme war hell; als er sie sah, wurde ihm erstmals bewußt, wie sehr er die Helligkeit haßte. Die Dunkelheit war soviel interessanter; voller Geheimnisse, voller Drohungen. Er hielt die Flamme an die Papierstapel und sah zu, wie das Feuer zu lodern anfing. Dann ging er zur Tür.
    Dort lag selbstverständlich Homer, der aus drei
    verschiedenen Stellen blutete, und seine Masse war nicht leicht zu bewegen. Aber Jaffe, dessen Schatten von dem gewaltigen Freudenfeuer hinter ihm an die Wand geworfen wurde, legte sich mächtig ins Zeug. In der halben Minute, die er brauchte, um den Leichnam wegzuschaffen, stieg die Hitze exponentiell an, und als er wieder in das Zimmer sah, brannte es lichterloh von einer Seite zur anderen; die Hitze erzeugte ihren eigenen Wind, der seinerseits die Flammen wieder entfachte.
    Erst als er sämtliche Spuren seiner selbst in dem Zimmer vernichtet hatte - und damit jeden Beweis auf Randolph Ernest Jaffe getilgt hatte -, bedauerte er, was er getan hatte. Nicht das Verbrennen - das war durchaus klug gewesen -, aber die Tatsache, daß er Homers Leichnam in dem Zimmer gelassen hatte, damit er zusammen mit den Irrläufern verbrannte. Ihm wurde klar, daß er eine weitreichendere Rache hätte üben sollen. Er hätte den Leichnam in Stücke hacken und verpacken 22
    sollen, Zunge, Augen, Hoden, Eingeweide, Haut, Schädel, er hätte alle Stücke abtrennen sollen - und sie dann Stück für Stück mit unleserlichen, sinnlosen Adressen in das System hinausschicken, damit der Zufall - oder die Synchronizität - die Schwelle bestimmen konnte, auf der Homers Fleisch landete.
    Der verschickte Postbeamte. Er nahm sich vor, derart ironische Möglichkeiten künftig nicht mehr zu übersehen.
    Er brauchte nicht lange, um sein Zimmer auszuräumen. Er besaß wenig, und das meiste bedeutete ihm gar nichts. Aufs Wesentliche reduziert, existierte er so gut wie überhaupt nicht.
    Es war die Summe von ein paar Dollars, ein paar Fotos, ein paar Kleidungsstücken. Alles zusammen hätte man in einem kleinen Koffer untergebracht und immer noch Platz für mehrere Nachschlagewerke gehabt.
    Um Mitternacht kehrte er, mit besagtem kleinen Koffer in der Hand, Omaha den Rücken und war bereit für eine Reise, die ihn in jede beliebige Richtung führen konnte. Tor zum Osten, Tor zum Westen. Ihm war es einerlei, welchen Weg er einschlug, so lange er nur
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