Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits der Finsternis

Jenseits der Finsternis

Titel: Jenseits der Finsternis
Autoren: Michael Nagula
Vom Netzwerk:
schien durchaus geeignet, das Potential an ausbeutbarer Natur war überwältigend.
    Interessiert betrachtete er den rötlich schimmernden Stamm eines gewaltigen Baumes, dessen weit ausladende Krone mit bläulich glitzernden Blättern fast bis zum Boden reichte. Der Wald wimmelte buchstäblich von solchen Prachtexemplaren. Dazwischen wucherte üppiges Gesträuch, übersät von birnengroßen violetten Früchten. Den Boden bedeckte schwellendes Moos mit orangegelben Blüten. Und ein unvergleichlicher Duft schwebte zwischen den Gewächsen.
    Plötzlich zuckte Nick Reynolds zusammen. Direkt vor ihm schoß aus dem dichten Gezweig ein armdicker grellrot schillernder Strang hervor. Und oben auf dem Strang wippte ein seltsam gurkenförmiger Kopf, der ihn aus diamantfarbenen Augen anglitzerte und fordernd sein spitzbezahntes Maul aufriß. Es war eine Schlange, zweifellos. Unwillkürlich trat Nick Reynolds einen Schritt zurück. Die Schlange folgte ihm geschmeidig.
    Nervös tastete Nick Reynolds nach seinem Strahler.
    »Lassen Sie das gefälligst!« sagte in diesem Augenblick eine dröhnende Stimme neben ihm. »Hat Ihnen denn niemand gesagt, daß die Schlangen gefüttert zu werden wünschen?«
    Verblüfft starrte Nick Reynolds auf die hagere, sonnengebräunte Gestalt. Sie war völlig nackt, und ein magerer Bartflaum umrahmte das Kinn. Nick Reynolds erkannte den Mann sofort. Es war der Botaniker Flatter, den er vor einigen Jahren bei einem Kongreß in den Verwaltungskatakomben des Planeten Terra kennengelernt hatte. Ein nüchterner, hochgeachteter Wissenschaftler. Und Flatter griff über sich in das Gezweig, pflückte eine der birnengroßen violetten Früchte und warf sie ihm zu.
    »Los, geben Sie ihr das!« kommandierte Flatter. »Diese Sorte mag am liebsten Flatterangen!«
    Nick Reynolds hatte die Frucht mechanisch aufgefangen und schob sie der Schlange ebenso mechanisch ins Maul. Die Schlange schmatzte genießerisch, wippte sichtlich zufrieden mit ihrem gurkenförmigen Kopf und verschwand geräuschlos im Gesträuch.
    »Na also«, konstatierte Flatter befriedigt. »Sie scheinen allmählich zu lernen, Reynolds. Das ist sehr nützlich für Ihre Gesundheit. Übrigens können Sie die Flatterangen auch selbst essen. Und auch alle anderen Früchte, die der Planet bietet. Hier gibt es nichts Giftiges.«
    »Danke, Flatter«, murmelte Nick Reynolds unbehaglich. »Ihre Meinung als Fachmann ist mir äußerst wertvoll. Aber, bitte, wie haben Sie die Früchte eben genannt?«
    Flatter lachte dröhnend.
    »Flatterangen, mein Lieber. Einfach Flatterangen. Ich habe sie entdeckt. Und unser lieber Kollege Brumbil hat sie nach mir benannt. Dafür habe ich mich dann revanchiert und die hiesigen Ureinwohner Brumbiliden getauft. Sie sind übrigens damit einverstanden.«
    »Wer?« fragte Nick Reynolds verdutzt.
    »Die Brumbiliden natürlich. Sie sind äußerst sympathisch. Sind Sie ihnen eigentlich schon begegnet?«
    Nick Reynolds überlegte fieberhaft. Meinte Flatter etwa die gleiche Spezies, von der Brumbil vorhin gesprochen hatte? Trotzdem verkniff er sich die Frage und sagte gleichmütig:
    »Bedaure, nein.«
    »Ausgezeichnet!« grinste Flatter. »Ganz ausgezeichnet. Dann legen Sie mal schnell Ihre alberne Zivilisationsgarderobe ab. So was ist hier sehr unpassend. Und auch sie mögen das nicht so sehr.«
    Nick Reynolds stutzte.
    »Wer?« erkundigte er sich vorsichtig.
    »Die Brumbiliden, mein Lieber. Wovon sprechen wir denn sonst?«
    »Hm«, machte Nick Reynolds. »Und warum mögen sie das nicht?«
    Flatter stieß wieder sein dröhnendes Lachen aus.
    »Dumme Frage! Gucken Sie mich an. Nackt wie Adam! Evas mögen das!«
    »Aha«, murmelte Nick Reynolds verwirrt.
    Flatter schien das sehr zu amüsieren.
    »Gehen Sie, mein Lieber. Gehen Sie spazieren. Sammeln Sie Erfahrungen. Und denken Sie an meinen Rat mit der Garderobe. Viel Glück!«
    Und bevor Nick Reynolds reagieren konnte, schlug Flatter sich seitlich in die Büsche und stapfte geräuschvoll davon.
     
4.
     
    Flatter also auch, überlegte Nick Reynolds. Es war ganz eindeutig: Flatters Geist war auf die gleiche seltsam geheimnisvolle Weise verwirrt wie der der anderen beiden. Nur schien es da gewisse graduelle Unterschiede zu geben, die allerdings wohl mentalitätsbedingt waren. Und alle gaben ihm irgendwelche absurden Empfehlungen. Trotzdem, er war spazierengegangen, und er hatte die Schlange gefüttert. Und er würde weiter Spazierengehen und vermutlich auch die nächste Schlange füttern,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher