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Jenseits der Finsternis

Jenseits der Finsternis

Titel: Jenseits der Finsternis
Autoren: Michael Nagula
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fiel das Raumschiff unaufhaltsam dem Feuer der namenlosen Sonne zu.
     

 
Lothar Streblow
 
Das Phänomen
     
1.
     
    Auf diesem Planeten gab es etwas, das er nicht begriff. Aber offenbar begriff das niemand. Man vermutete nur einiges. Was genau, war nicht bekannt. Auch ihm nicht, den die Zentrale auf Terra als Experten hierhergeschickt hatte. Man wollte ihn nicht beeinflussen: In keiner Weise, hatte ihm der etwas seltsam wirkende Gouverneur gesagt. Und er hatte eigenartig gelächelt dabei, als wisse er mehr als er sagen wolle. Damit war er entlassen worden. Damit und mit allen guten Wünschen für seine Mission.
    Nick Reynolds strich sich behutsam über die Stirn. Und seine Hand zögerte, zögerte vor den harten Linien scharfer Falten. Mit zweiundfünfzig Jahren war er kein Jüngling mehr. Und er hatte einiges hinter sich gebracht, auch in seiner Eigenschaft als Psychoexperte für außergewöhnliche Phänomene auf fremden Planeten. So etwas wie hier hatte er allerdings noch nie erlebt. Auf den ersten Blick schien alles in Ordnung. Der Planet glich einem Paradies: biologisch aktiv, mit völlig intakter Fauna und Flora, einem gemäßigt subtropischen Klima und einer Atmosphäre, in der man sich wohl fühlte. Bessere Voraussetzungen für eine Kolonisation konnte es eigentlich gar nicht geben. Doch das Merkwürdige war: es gab keinerlei Kolonisation. Jeder der zahllosen Versuche war gescheitert: aus unbekannten Gründen. Nicht einmal die Andeutung eines Raumhafens gab es hier. Das Raumschiff, mit dem er gekommen war, hatte ihn mitten auf einer Urwaldlichtung abgesetzt wie einen Aussätzigen und war fluchtartig wieder gestartet, ohne mit einem der hiesigen Bewohner Kontakt aufzunehmen. Nur einen kargen Hinweis hatte ihm der Kommandant gegeben: Setzen Sie sich einfach irgendwo in die Landschaft und warten Sie. Alles andere wird sich finden.
    Und es hatte sich gefunden, auf eine sehr seltsame Weise. Etwa eine halbe Stunde nach dem Rückstart des Raumschiffs hatte ihn eine recht malerisch in abgepflücktes Grünzeug gekleidete Gestalt mit wucherndem Vollbart aufgelesen und zum Gouverneur geleitet. Dabei war kaum ein Gespräch zustande gekommen, trotz aller Bemühungen Reynolds. Der Vollbärtige hatte nur geheimnisvoll gelächelt und ihm verabschiedend gesagt: Begrüßen Sie erst mal den guten alten Gouvi. Wir sehen uns dann später – irgendwann. Mit diesen Worten hatte er ihn vor einer Art Schilfhütte stehen lassen, in der offenbar der Gouverneur residierte. Und tatsächlich residierte er dort, ohne Büro, ohne Schreibtisch, ohne Telefon, Videophon oder so was und ohne alles irgendwie nach Verwaltung aussehende Interieur. Und der Gouverneur paßte exakt in diese Umgebung: barfuß in Bastsandalen, behangen mit einer Art grobgeflochtenem Fransenhemd und ebensolcher Hose hockte er lässig lächelnd mit seinem grauhaarigen Strubbelkopf nickend auf einer Grasmatte und lud ihn ein, Platz zu nehmen. Und er hatte Platz genommen, mit dem Gouverneur eine höchst sonderbare, aber außerordentlich wohlschmeckende Kräutermixtur getrunken und war nach einigen wenigen mehr als rätselhaften Worten wieder verabschiedet worden, mit eben diesen guten Wünschen.
    »Verrückt so was!« knurrte Nick Reynolds unwirsch. »Absolut verrückt!«
    Ein Blick auf sein Chronometer zeigte ihm, daß er sich bereits mehr als zwei Stunden auf diesem Planeten befand. Aber: befand er sich überhaupt hier? Oder war das Ganze nicht nur ein ziemlich einfältiger Traum? Eine Halluzination überreizter Nerven? Er war schließlich andere Empfänge gewöhnt, wenn er irgendwohin auf Mission geschickt wurde. Doch dort herrschten auch andere Verhältnisse, pflegte man ein gewisses zivilisatorisches Zeremoniell. Hier aber pflegte man offenbar gar nichts. Und auf seine Anwesenheit schien niemand sonderlich viel Wert zu legen.
    Inzwischen hatte sich Nick Reynolds einige hundert Meter von der Gouverneurshütte entfernt. Plötzlich blieb er überrascht stehen. Am Rand des allmählich die Lichtung überwuchernden Urwalds hatte er etwas entdeckt, das aussah wie ein verfallenes Bauwerk. Neugierig setzte er sich in Bewegung. Und es waren tatsächlich die Reste eines Bauwerks: die Ruine einer kaum begonnenen und dann sich selbst überlassenen Kunststoffbaracke. Daneben lagen einzelne, noch verpackte Bauteile, schon halb vom Urwald verschluckt. Er stutzte. Offenbar hatte es hier doch so etwas wie den Versuch einer Bebauung gegeben. Doch alles war in den ersten Anfängen
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