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Jenseits aller Vernunft

Jenseits aller Vernunft

Titel: Jenseits aller Vernunft
Autoren: Sandra Brown
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können, dass er heute morgen hatte wirklich jagen gehen wollen, hob er den rattenbraunen Saum ihres Kleides weiter. »Teufel auch!«, kreischte er, ließ den Rock los und sprang auf. Unglücklicherweise fiel der schmutzige Stoff nicht mehr so weit zurück, dass er das tote Wesen bedeckt hätte, das zwischen den schlanken Beinen der Frau lag. Die beiden Jungen starrten voller Entsetzen das tote Baby an. Aus Lukes Kehle kam ein seltsames Geräusch.
    » Muss t du kotzen?« fragte Bubba.
    »Nein.« Luke schluckte schwer. »Ich glaub’ nich’«, fügte er dann unsicher hinzu.
    »Geh und hol Ma. Und Pa auch. Er muss sie in den Wagen tragen. Findest du den Weg?«
    »Klar«, erwiderte Luke erhaben.
    »Dann los. Sonst stirbt sie womöglich doch noch.«
    Luke legte den Kopf zur Seite und betrachtete das bleiche Gesicht der jungen Frau. »Sie sieht eigentlich ganz nett aus. Fasst du sie an, wenn ich weg bin?«
    »Hau ab!« schrie Bubba und machte einen drohenden Schritt auf seinen Bruder zu.
    Luke machte sich lärmend auf den Weg durch den Wald, bis er weit genug weg war, um zurückzurufen: »Ich werd’s schon merken, wenn du nach was guckst, was du nich’ darfst. Und dann sag’ ich’s Ma.«
    Bubba Langston hob einen Kiefernzapfen auf und warf ihn nach seinem zwei Jahre jüngeren Bruder, der eilig das Weite suchte. Als er außer Sicht war, kniete Bubba sich wieder neben die junge Frau. Er biss sich auf die Unterlippe und schaute noch einmal nach dem toten Baby. Dann griff er mit spitzen Fingern nach dem Saum ihres Kleides und zog es über die winzige Leiche.
    Schweißperlen standen auf seiner Stirn, aber er fühlte sich besser, als er nichts mehr sehen konnte.
    »Lady«, flüsterte er leise. »He, Lady, könnt Ihr mich hören?« Ängstlich stupste er sie an die Schulter. Sie stöhnte und warf den Kopf zur einen, dann wieder zur anderen Seite.
    Noch nie in seinem Leben hatte er eine solche Haarpracht an einem Menschen gesehen. Selbst gespickt mit Zweigen und n a ss vom Regen war ihr Haar wirklich hübsch, lockig und irgendwie wild. Auch eine solche Farbe war ihm noch nie begegnet. Weder richtig rot noch richtig braun, sondern irgendwie dazwischen.
    Er nahm die Feldflasche ab, die er an einem Lederband um den Hals trug und öffnete sie. »Lady, möchtet Ihr was trinken?« Tapfer drückte er die Metallöffnung an ihre bewegungslosen Lippen und goss ein wenig darüber. Ihre Zunge kam hervor und leckte etwas von dem Wasser auf.
    Bubba sah fasziniert zu, wie sich ihre Augen zögernd öffneten und vage umherschweiften. Die junge Frau sah einen etwa sechzehnjährigen Jungen besorgt über sich gebeugt. Er war so flachsblond, dass er fast weiß wirkte. War er ein Engel? War sie im Himmel? Wenn ja, hatte er enttäuschend viel Ähnlichkeit mit der Erde. Dieselben Wolken, dieselben Bäume, dieselbe regenschwere Düsternis. Derselbe Schmerz zwischen den Schenkeln. Sie war noch nicht tot! Nein, nein, Junge, geh weg. Ich will sterben. Sie schloss die Augen wieder, und es wurde dunkel um sie.
     
    Voller Angst um das aushauchende Leben dort und verzweifelt in seiner Hilflosigkeit sank Bubba unter einem Baum auf den feuchten Boden. Sein Blick blieb fest auf ihrem Gesicht, bis er Ma und Pa durch das dichte Unterholz stapfen hörte, das angesichts des üppigen Blätterwerks des Frühsommers kaum zu durchdringen war.
    »Was hat Luke da über ein Mädchen gefaselt, Sohn?« fragte Zeke Langston seinen Ältesten.
    »Ich hab’s euch doch gesagt, Ma, Pa«, ertönte eifrig Lukes Stimme und er streckte einen Zeigefinger vor. »Da ist sie.«
    »Geht mir aus dem Weg, ihr alle drei, damit ich mich um die Arme kümmern kann.« Ma schob die Männer ungeduldig beiseite und hockte sich schwer neben das junge Ding. Zuerst wischte sie ihr das triefende Haar von den blutleeren Wangen. »Die ist ja richtig hübsch, was? Ich frag’ mich wirklich, was die hier macht, zum Kuckuck.«
    »Da is’ noch ein Baby, Ma.«
    Ma Langston sah zu Bubba auf, dann zu ihrem Mann und machte ihm ein Zeichen, er solle die Jungen außer Sicht schaffen. Als sie sich umgedreht hatten, hob Ma das Kleid und legte dem Mädchen den Saum in den Schloss . Sie hatte schon Schlimmeres gesehen, aber der Anblick hier war auch ziemlich übel. »Mein Gott noch mal«, murmelte sie. »Zeke, du muss t mir helfen. Ihr Jungens könnt schon mal vorausrennen zum Wagen und Anabeth sagen, sie soll ein gutes Lager richten. Und dann macht Feuer und setzt einen Kessel mit Wasser zum Kochen
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