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Jeden Tag ein Happy End

Jeden Tag ein Happy End

Titel: Jeden Tag ein Happy End
Autoren: Devan Sipher
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Familie wusste man leider nie, ob einen Glückwünsche oder Anfeindungen aus heiterem Himmel erwarteten.
    »Du musst auf den schlimmsten Fall vorbereitet sein«, sagte mein Vater.
    »Wir waren bei einem Seminar zur Nachlassplanung«, meldete sich meine Mutter in der zweiten Leitung ihrer Wohnung in Florida zu Wort. Sie lebten in Boca Raton, auf der falschen Seite des Interstate. Ihr neuestes Hobby war, sich Tag und Nacht obsessiv mit ihrem Testament zu beschäftigen. Auf mich wirkte es leider, als ginge es ihnen nur um neue und ausgefallene Methoden, mich und meinen kleinen Bruder zu quälen.
    »Gavin, weißt du eigentlich, wie hoch die Scheidungsratein New York ist?«, fragte meine Mutter, um mir gleich darauf mitzuteilen, dass sie sehr hoch sei.
    »Wir müssen an die Zukunft denken«, sagte mein Vater. »Und wir müssen an unsere Enkelkinder denken.« Nur hatten sie gar keine. Auch ein Sachverhalt, der regelmäßig diskutiert wurde.
    »Was ist, wenn sie nach dir jemand anderen heiratet?«, fragte meine Mutter.
    »Wer?«, brachte ich mühsam hervor.
    »Deine Exfrau!«, rief sie.
    »Du ziehst da voreilige Schlüsse, Lorraine«, wies mein Vater sie zurecht und war auf einmal die Stimme der Vernunft, was das Problem mit meiner zukünftigen Exfrau anging. »Wir wissen doch gar nicht, ob sie noch mal heiratet. Manchmal finden Paare auch wieder zusammen. Wie Elizabeth Taylor und Richard Burton.« Wenn meine Eltern den Hollywood-Adel als Argument benutzten, musste es ihnen wirklich ernst sein.
    »Das ist doch was anderes«, gab meine Mutter zurück. »Die ist für ihn konvertiert.«
    »Sie ist für Eddie Fisher konvertiert!«
    »Ist sie dann nicht wieder zurückkonvertiert?«
    Ich legte den Hörer zur Seite und griff nach einer Packung Vollkornflocken. Eigentlich war es aber eher ein Tag für Frosties. Auf der vollgestellten Arbeitsplatte stand eine offene Flasche Wodka. Ich erinnerte mich, dass ich sie von der Hochzeit mitgenommen hatte, weil ich mich hemmungslos betrinken wollte. Purer Wodka schmeckt mir aber nicht, also hatte ich im Kühlschrank nach etwas zum Mixen gesucht. Leider fand ich dort nur noch eine leere Milchpackung, drei Flaschen Bier und ein paar vertrocknete Chilischoten. Das Eisfach war besser bestückt, und ich hatte eine Tüte Tiefkühlfrüchte herausgenommen, ummir ein Wodkasorbet zu machen. Dann war mir aber aufgegangen, dass es meinem Selbstwertgefühl höchstwahrscheinlich eher abträglich sein würde, allein am Silvesterabend einen Tiefkühlobst-Cocktail zu schlürfen.
    Als ich die Flasche jetzt so dastehen sah, war ich schon wieder kurz davor, einen Schluck zu nehmen. Aber aus mir würde wohl nie ein Hemingway werden, dafür schmeckten mir süße Cocktails einfach zu gut. Mal ganz davon abgesehen, dass Hemingway in seinen Tagen als Journalist über den Spanischen Bürgerkrieg geschrieben hatte, nicht über Society-Hochzeiten.
    Es war an der Zeit, sich zusammenzureißen. Ich schob den Wodka neben die Früchte zurück ins Eisfach und setzte mich mit den Frosties als Verstärkung in meine Büro-/Essecke. Ich betrachtete den Stapel Notizblöcke neben meinem Laptop und hatte überhaupt keine Lust darauf, stundenlang über Mimi und Mylo zu schreiben. Da der Feiertag nicht auf ein Wochenende, sondern auf einen Montag gefallen war, musste ich die Story in knapp vierundzwanzig Stunden abgeben. Wenn ich jetzt gleich anfing, hatte ich noch den Hauch einer Chance, nicht die Nacht durcharbeiten zu müssen. Ich griff wieder nach dem Hörer. Ich konnte die hohe Stimme meiner Mutter schon hören, bevor ich ihn ans Ohr hielt.
    »Was ist, wenn deine Exfrau mit ihrem neuen Mann Kinder hat? Willst du, dass die dann dein Geld erben?« Meine Mutter hatte ihre Berufung verfehlt. Eigentlich wäre die Steuerbehörde das Richtige für sie gewesen. »Bevor du es überhaupt merkst, ist dein Leben vorbei. Und du kannst nur noch hoffen, dass deine Kinder nicht die gleichen Fehler machen wie du. Aber du hast ja keine Kinder. Es bricht mir das Herz, wenn ich daran denke, dass du tot bist und deine Exfrau dein ganzes Geld für Kinder ausgibt,die nicht mal von dir sind. Verstehst du jetzt, wieso ich mir solche Sorgen mache?«
    Ich wusste, dass ich mich auf keinen Fall an dieser Unterhaltung beteiligen durfte. Weniger Auseinandersetzungen mit meinen Eltern war einer meiner Vorsätze für das neue Jahr. Die stritten schon genug miteinander, da musste ich mich nicht noch einmischen. Ich war mit den Nerven am Ende und antwortete nur:
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