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Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)

Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)

Titel: Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)
Autoren: Bill Mockridge , Lars Lindigkeit , Markus Paßlick
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heftiger. »War ich, war ich!«
    »Doug!«, breite ich zum Wiedersehen weit die Arme aus. »Doug Graham! Mensch, Douggie, altes Leder – wir kennen uns von der Schule!«
    »Ja …«, entgegnet er zögerlich. Ich sehe in Dougs Augen, wie es in seinem Kopf rattert. »Jaaaaaa, das kann gut sein … Sorry, helfen Sie mir: Welches Fach haben Sie damals unterrichtet?«
    Das Bremsen der U-Bahn an der nächsten Station übertönte mein schmerzvolles Seufzen nach diesem Stich ins Herz.

    Es ist also umso wichtiger, gut darauf vorbereitet zu sein. Sich selbst rechtzeitig zu hinterfragen: Bin ich wirklich schon alt – oder laufe ich mit zugedrücktem, stargetrübtem Auge noch unter »semijung«? Fragen, die uns ab einer gewissen Lebenserfahrung auf dem schon leicht schrumpeligen Buckel automatisch beschäftigen. Gut, natürlich gibt es eindeutige Symptome. Zum Beispiel, wenn sie di esennä chsten schwac hsinnigens a tz nicht lesen können – dann sollten Sie schleunigst zum Augenarzt! Oder wenn die eigene Akustikkompetenz langsam nachlässt. Wie bitte? WENN SIE SCHLECHTER H-Ö-R-E-N ! Oder wenn man plötzlich nachts häufiger raus muss als alle Schichtarbeiter zusammen. Wollen Sie jedoch frühzeitig merken, dass bei Ihnen was im Altersbusch ist, kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung nur einen wichtigen Tipp geben: Achten Sie auf Ihre Briefpost.
    Es begab sich ausgerechnet an meinem sechzigsten Geburtstag – ein schon per se äußerst sensibles Datum in meinem Leben. Bitte nicht falsch verstehen: Ich habe grundsätzlich nichts gegen die Zahl »60«. In irgendeinem Paralleluniversum, wo mein dortiger Bankberater mir strahlend Blumen überreicht mit dem Satz »Herzlichen Glückwunsch, Herr Mockridge – zu Ihrer sechzigsten Million!«, sind die »60« und ich wahrscheinlich sogar beste Freunde. Im weit weniger attraktiven Universum, in dem dieses Buch erschienen ist, wurden mir aber leider nur strahlend Blumen überreicht mit dem Satz: »Herzlichen Glückwunsch, Herr Mockridge – zu Ihrem 60. Geburtstag!« Und genau da liegt der Hund begraben: Es ist und bleibt ein schwieriges symbolisches Alter. Die »6« stellte optisch recht akkurat meinen in den Jahren zuvor deutlich gewachsenen Bauchumfang dar. Die »0« dahinter stand mengenmäßig für all die Dinge, die ich mir noch mühelos merken konnte. Kurz: Das Alter hatte sich körperlich wie geistig bereits mehr oder weniger höflich bei mir vorgestellt, doch ich war noch längst nicht bereit, gastfreundlich seine Hand zu schütteln. Stattdessen griff ich mir meine Geburtstagspost, suchte gezielt nach den Werbeglückwünschen. Ich hoffte, dass da was dabei wäre, was mich in meiner jugendlichen, kraftvollen Männlichkeit bestätigen würde: Post von 200-PS-Quad-Herstellern, Veranstaltern von Wildwasser-Kanufahrten, Mount-Everest-Besteigungen (natürlich ohne Sauerstoffmaske!) und Weltraumflügen, Anbietern von Büffelhodenfleisch – bei wem auch immer meine Daten als wirklich noch sehr, sehr rüstiger Sechzigjähriger zielgruppengenau im Computer gelandet waren.
    Ich öffnete den ersten Brief und fing an zu lesen:
Sehr geehrter Herr Mockridge,
 
herzlichen Glückwunsch zu Ihrem 60. Geburtstag! Lassen Sie sich heute richtig groß feiern – wer weiß, ob Gott Ihnen dazu noch einmal die Gelegenheit gibt. Wollen Sie die zukünftige unvermeidliche Bürde Ihrer Beerdigung tatsächlich Ihren trauernden Hinterbliebenen überlassen? Schon ein kleiner monatlicher Beitrag von 24,60 Euro schenkt Ihnen das gute Gefühl, Ihren Nachkommen einen finanziell sorglosen Neustart ermöglicht zu haben! Herr Mockridge, entscheiden Sie heute – morgen kann es schon zu spät sein!
    Eine Unverschämtheit! Da fehlte nur noch ein Päckchen »Friedhofserde!« Etwas erblasst im Gesicht schaute ich auf den Brief – dachte mir aber: Gut, das ist Zufall. Da musste es noch irgendeinen anderen Bill Mockridge hier in der Nachbarschaft geben, der heute sechzig wurde und deutlich klapperiger war als ich. Einfach falsch zugestellt, der Brief. Ich entsorgte ihn sofort zum Altpapier und widmete mich lieber dem kleinen Geburtstagspäckchen mit der liebevollen roten Schleife, das mich schon die ganze Zeit anlächelte. Ich ahnte es schon. Wahrscheinlich hat mir meine Fernsehehefrau Marie-Luise wieder einen Eierwärmer gestrickt. Ich schaute auf den Absender: nicht Mutter Beimer, sondern eine gewisse Frau Hartmann. »Hartmann, Hartmann, Hartmann …«, überlegte ich – ist das vielleicht Sabine aus
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