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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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darum, eine Bezahlung zu erhalten. »Oh, Mademoiselle Jasmin, ich verstehe, Sie wollen bei uns arbeiten?«, antwortete er mir, als hätte ich bis jetzt in Somalia gearbeitet, »Sie leisten gute, zuverlässige Arbeit, und ich würde mich freuen, wenn Sie bei uns blieben …« Doch nachdem er mich zwei Wochen lang hingehalten hatte, teilte er mir mit: »Mademoiselle Jasmin, es tut mir leid, aber es wird nichts daraus, das heißt, was würden die Eltern unserer Schützlinge sagen, wenn sie wüssten, dass Sie …« Er nahm sich in Acht, nicht das Wort »Araberin« auszusprechen, als sei es ein Schimpfwort oder ein Verbrechen, das man verheimlichen muss. Es fiel ihm nicht auf, dass dieses Problem bei ehrenamtlicher Arbeit offenbar nicht bestand.
    Ich weiß, dass nicht alle wie er sind, aber auch die Guten unter euch, ohne dass sie es merken oder beabsichtigen, sehen auf uns herunter und gewähren uns sozusagen ihre Gunst. Es ist eine fortwährende Beleidigung, in einem Land zu leben, in dem man nicht dazugehört. Ein Bürger zweiter Klasse, wenn nicht noch geringer.
    Dein Vater und mein Vater sind zwei Teile eines zerbrochenen Zweigs. Mein Vater hat versucht, auf glühenden Kohlen zu gehen, sich selbst zu bewahren, ohne euch zu verletzen und ohne selbst verletzt zu werden, und ist gescheitert, geschlagen von jeder Seite. Es bricht mir das Herz, mit anzusehen, wie er sich ergeben
hat und an seiner mysteriösen Krankheit leidet. Ich sehe, wie er sich die ganze Zeit bemüht, am Leben festzuhalten, sich zu benehmen, als ginge alles den üblichen Gang, und wie ihm alles entgleitet und er immer mehr den Willen verliert weiterzumachen. Sogar seine Partnerschaft mit Abu Nabil in der Zeitung will er jetzt auflösen. Eure Besatzung hat einen wundervollen Menschen, einen euch wohlgesinnten Menschen getroffen und ihn krank, ja zu einem Fremden in seinem eigenen Land gemacht. Jetzt wird alles in Abu Nabils Händen bleiben.
    Unsere Fahrt in den Kibbuz war für mich die Suche nach deiner anderen Seite, eine Rückkehr zu deinen Wurzeln. Ich sah diese Mischung aus einem Araber, der in Umm Kulthum verliebt ist und unsere Kultur kennt, und dem neuen Israeli, dem Berater des Ministers ohne Portefeuille, unserem Wali. Ich wollte die Gründe für meine Ängste kennenlernen, unserer Ängste, weshalb wir euch fürchten, wollte wissen, was dieser Kibbuz, das Allerheiligste des Zionismus, ist und wer diejenigen sind, die diese Kathedrale erbauten. Als Sonja ihre Geschichte des Anbeginns erzählte, fühlte ich mich wie ein Fisch, der aufs Trockene geworfen wurde, als sei jemand in meinen Körper eingedrungen und habe mir Stücke herausgerissen. Aber wen interessiert meine Geschichte überhaupt?
    Mein Geliebter, ich will von dir und mir reden und schweife ins Allgemeine ab, springe von einem Thema zum anderen. Ich verstehe nicht alles. Ich habe diesen Brief angefangen, als ich nach Hause kam, eine Fassung nach der anderen, in mir ist alles durcheinander, mein Hals trocken, meine Worte blockiert, Erkenntnis außer Reichweite.
    In unserer ersten Nacht, unserer einzigen, weinte ich vor Schmerz und einer Glückseligkeit, die ich nicht fassen konnte, und jetzt gebe ich auf … Wenn es etwas gibt, das mich beim Weggehen von hier quält, außer dem Abschied von dir, von zu Hause und von al-Quds, dann ist es die Rückkehr zu dem, was mich in Paris erwartet, Faiz und seine Machos. Ich habe mich an die Sprache
deines Herzens gewöhnt, an die Zartheit, mit der du mich behandelt hast, an dieses Zögern, dass du nicht gleich aufs Ganze gehst. Es fällt mir schwer einzugestehen, dass Faiz gesiegt hat, ein anderer Weg steht mir nicht offen.
    Ich wollte, dass du mein Mann wirst, meine andere Hälfte. Zwei Tage vor unserer Fahrt in den Kibbuz war ich verstört. Ich hatte Angst, und mein Herz prophezeite Übles. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich in den Rachen des Krokodils begab. Vielleicht kam meine Periode aus Angst zu früh, ich hatte einen Blutsturz, und Krämpfe schnitten in meine Eingeweide wie damals, als ich mein Baby von Azmi verlor. Am Morgen der Reise beruhigten sich die Schmerzen, und Freude trat in mein Herz. Wie ein verliebtes Mädchen, das nichts von der Welt weiß, dachte ich nur daran, dass ich nun mit dir aufbrechen würde und du mich weit weg bringen würdest, für immer, an einen anderen Ort, der uns beide aufnehmen könnte. Ich sang mit deiner Umm Kulthum:
     
    Oh, Geliebter meines Lebens,
oh, Schönster meiner Träume,
trag mich mit deinem
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