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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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Blatt Papier von Levanas Schreibtisch und formulierte ein kurzes Kündigungsschreiben. Am Nachmittag packte ich meine Sachen zusammen und entfernte sie aus dem Büro in Scheich Dscharrah. Ich kehrte nicht mehr dorthin zurück.

46.
    EIN ZERBROCHENER ZWEIG
    Mein geliebter Nuri!
    Wenn du diesen Brief erhältst, werde ich bereits in Paris sein. Ich bin von mir selbst enttäuscht und schäme mich, dass ich nicht die Kraft gefunden habe, dir von Angesicht zu Angesicht zu sagen, dass ich beschlossen habe wegzugehen. Unser traumhafter Ausflug war, wie sich herausstellte, eine Abschiedsreise.
    Ich hatte das nicht so geplant, im Gegenteil, ich versuchte, die Hürden des Herzens zu überwinden. Inmitten des Aufruhrs in meiner Seele bemühe ich mich, Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Eins ist sonnenklar: Du hast meine Seele gestohlen. »Stehlen« ist kein schönes Wort, aber ich habe kein anderes. Mit der Ausdauer einer Ameise wusstest du meine Befürchtungen beiseitezuschieben, meine Neugier zu erregen, meinen Widerstand zum Schmelzen zu bringen, mich dir zu öffnen - ein Stoff für einen Roman.
    Du hast mich an die Schauplätze meiner Kindheit zurückgeführt, ins YMCA, wo sich meine Eltern begegnet sind und ich Edna Mazursky kennenlernte, meine geliebte und vielleicht einzige wirkliche Freundin auf der Welt, ein Ort, an dem noch vertraute Gerüche hängen, auch nach gutem Kaffee … Du hast mich zum Edison-Kino, dem Ort meiner Sehnsucht, zurückgebracht, und zum Smadar, nahe unserem Haus zwischen den wunderschönen Templerhäusern. Du hast mich mit Falafel in Machane Jehuda gefüttert, ich stand dort mit dir inmitten des Gedränges, während die Soße auf mein Kleid hinuntertropfte, verwundert über das Gemeinsame, das voneinander ferne Menschen in einem gemeinsamen Vergnügen miteinander verbindet.

    Mein geliebter Eroberer! Mit deinem schüchternen, listigen Werben, mit deiner seidenweichen Zärtlichkeit hast du mich dazu gebracht, zur Eingangstür des al-Hurrije zu spähen und, wie beschämend, darauf zu warten, dass du kämest. In gewissem Sinn hast du mich mit deiner Schwäche erobert, wie Azmi, der bis jetzt der einzige Mann in meinem Leben war. Ich habe dir fast nichts von ihm erzählt. Als er starb, schloss ich mich in meinem Zimmer ein, kratzte an den Wänden und leckte den Kalk. Ich wollte niemanden sehen. Ich war damals sicher, dass ich mich nie wieder einem Mann nähern würde. Bis du aufgetaucht bist, eine verwandte Seele.
    Ich habe auf unseren Ausflug gewartet. Ich wollte mit dir zusammen sein, allein in einem kleinen Zimmer, in einem Bett, deinen Geruch einatmen, deine Wärme spüren und ein wenig Hoffnung finden. Ich habe dich schon lange begehrt, einmal bin ich auch in deine Wohnung gekommen, aber du hattest Angst und hast mich nicht genommen, hast dich dumm gestellt, als hättest du nicht verstanden, was eine Frau will, die in das Zimmer eines Mannes kommt.
    Mein Geliebter, der Ausflug in den Kibbuz war auch der Abschied von meinem alten Traum, euch, die Juden, von hier zu vertreiben. Auf dem Friedhof am See Genezareth sah ich die Grabsteine, die von eurer Geschichte erzählen. Ich habe gesehen, dass auch ihr mit dieser Erde verwachsen seid, die, die »im See Genezareth bei ihrer Arbeit beim Kiestransport ertranken«, und der, der »am gelben Fieber verstarb«, und ich begriff, dass auch ihr hierher gehört und wie kompliziert es ist, euch von hier zu verjagen. Ich habe gelernt, dass das, was war, niemals wiederkehren wird, ich habe die Klugheit beneidet, mit der sich die Pioniere hier eingepflanzt haben, wie sie Luftwurzeln in Erdwurzeln verwandelten.
    Vor einem Jahr kam ich hierher, und gleich nachdem ich aus dem Flugzeug ausgestiegen war, war ich gezwungen, eine Sperre eurer Armee zu passieren. Vorgestern war ich wieder gezwungen,
eine Straßensperre zu passieren, um nach Hause zurückzukehren. Alles ist mir verschlossen. Welche Zukunft erwartet mich, und sogar dich, wenn ich auf meine Identität verzichte?
    Sogar wenn ich wollte, ich würde nicht vor mir selbst fliehen können. Für dich bin ich Jasmin, doch jenseits davon bin ich eine Araberin in einem Land der Juden. Wie naiv ich war zu denken, ich könnte mich in diesem Land, das meine Heimat war, integrieren! Ich habe dir nicht von dem Schlag erzählt, der mir schon vor unserem Ausflug in den Kibbuz gezeigt hat, wer ich bin. Vor kurzem, nachdem ich seit zehn Monaten freiwillig im Jugenddorf gearbeitet hatte, wandte ich mich an den Leiter und bat
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