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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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Blutrache und Unterdrückung der Frau?«, fragte Abu George.
    »Vergiss die Gesellschaft, ich will auf Jasmin zurückkommen. Ich möchte, dass du weißt, die Leute zerreißen sich die Mäuler über sie. Und man muss etwas dagegen machen.«

    »Der Teufel soll sie holen. Was geht sie das an?« Abu Georges Herz sank, ohnmächtiger Zorn wallte in ihm auf. »Sie reden schlecht über sie, weil sie keine Männer sind. Eine gebildete und selbstständige Frau wie sie macht unseren Gockeln Angst. Und dass sie Witwe ist, fordert diese Erbärmlichen noch mehr heraus.«
    »Weißt du, dass sie sich mit diesem Juden abends trifft?« Abu Nabil ließ nicht locker.
    »Ich weiß. Sie essen bei mir im Restaurant, trinken Kaffee im American Colony, sie verheimlicht es nicht. Es ist nur eine Freundschaft. Was ist denn?«
    »Du musst das unterbinden!«, sagte Abu Nabil scharf. »Man muss den Kopf der Schlange abschneiden, solange sie klein ist, lass die Dinge nicht aus dem Ruder laufen.«
    Abu George schwieg.
    Um die Härte seiner Worte abzuschwächen, kam Abu Nabil auf den Vorschlag zurück, ein Fischlokal mit einem jüdischen Investor zu eröffnen. »Versteh doch, mein Bruder, wie kann ich mit ihnen Geschäfte machen? Ich bin Muslim. Der Muslim ist der Oberste, er reitet auf dem Pferd mit dem Schwert in der Hand, und der Jude geht zu Fuß. Der Jude darf keine Waffe tragen, es ist ihm auch verboten, im Regen zu gehen, damit er den Muslim nicht etwa anspritzt. Und jetzt soll er mein Partner werden?«
    Aber Abu George war mit seinen Gedanken schon ganz woanders.
    Auf dem Nachhauseweg hatte er das Gefühl, dass die Augen der Leute auf ihn geheftet waren, als hätte er einen Buckel. Wenn sein Partner und treuer Freund mit ihm über Jasmin und Nuri sprach und immer wieder darauf zurückkam, war das ein Zeichen, dass die ganze Stadt davon redete. Großer Gott im Himmel, sie würde heute Abend von ihrem Ausflug zurückkommen. Was sollte man tun? Furcht fuhr ihm in die Knochen. Er war durchaus leidgeprüft, es schmerzte ihn auch nicht wenig, dass seine Freunde ihn anprangerten und fast als Kollaborateur verstoßen
hatten, doch diese Verletzung von Jasmins gutem Namen war wie ein Dolchstoß direkt ins Herz.
    Aber vielleicht kamen diese Dinge auch von den Leuten dieses Schurken Arafat und waren dazu gedacht, ihn aus der Zeitung zu vertreiben. Die von der Fatah wollten eine ihnen gefügige Zeitung, voller Lügen und Propaganda wie in Russland. Wie konnte man eine nationale Identität auf den Fundamenten von Lüge und Phantasien aufbauen? Seine Furcht wich der Wut. Diese Fanatiker würden alles zerstören, nicht zulassen, dass wieder etwas Echtes aufgebaut würde. Alles zerbröckelte, nichts befriedigte ihren Hunger. Vielleicht war es Zeit, sich aus der Zeitung zurückzuziehen, sich von den öffentlichen Angelegenheiten zu entfernen und sich Kummer und Schaden für die Gesundheit zu ersparen. Wie sollte er Umm George von diesem Schmutz erzählen, und was würde aus Jasmin?

45.
    DER SOHN VON FLÜCHTLINGEN
    Jasmins Behandlung an der Straßensperre von Jericho ließ mir keine Ruhe. Nächtelang grübelte ich und rang mit mir. Meine Seele erschöpfte sich in einem Zweikampf zwischen Hoffnung und Furcht, zwischen Vertrauen in die Kraft unserer Liebe und Verzweiflung über die Bedrängnisse, die unser harrten. Ich wartete auf den Morgen, auf Jasmin, vielleicht würde sie anrufen, bevor sie ins Jugenddorf aufbrach. Um sechs, nachdem ich meinen Morgenmarsch beendet und im Laden unten meine verbrannten Brötchen geholt hatte, trat ich auf den Balkon hinaus.
    Es war heiß draußen. Ich beobachtete das Nest der roten Falken am Haus gegenüber. Wie Pilger kamen sie tausende Kilometer weit nach Jerusalem, bauten ihre Nester in den Ziegeldächern. Das Männchen arbeitete schwer, paarte sich zwanzigmal mit seiner Gefährtin, bis er sie geschwängert hatte. Jetzt waren die Jungen ausgeschlüpft, ihre Eltern fütterten sie dreimal am Tag, ihre Sorge und Hingabe rührten mich. Bald würden sie ihre Flügel ausbreiten und erst am Ende des nächsten Winters zurückkehren.
    Und da war meine Orthodoxe, die schon wieder zu Hause war. Sie näherte sich dem Fenster, das neue Baby in ihren Armen, und wandte mir ihr Gesicht zu. »Glückwunsch!«, rief ich ihr zu, und sie lächelte.
    Ich goss den Numi-Basra-Tee auf und holte das Halva aus dem Kühlschrank. Das Telefon klingelte, vielleicht war es Jasmin. Nein. Levana war in der Leitung, sie war wirklich rührend, sie sei von
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