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Jan Tabak geht aufs Ganze

Jan Tabak geht aufs Ganze

Titel: Jan Tabak geht aufs Ganze
Autoren: Werner Schrader
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Bewohnern der Wochenendhäuser zu und bereitete sich nun auch innerlich auf seine Gäste vor. Immer mit der Ruhe, Jan Tabak! sagte er sich. Irgendwie werden wir mit dem alten Haudegen schon auskommen. Daß es mit den Kindern Schwierigkeiten geben könnte, glaubte er nicht. Ein junger Mensch ist noch biegsam, dachte er, der paßt sich an und stellt sich um. Und meistens hat er auch Humor. Mit den Alten ist das ganz anders. Die sind oft unbeweglich und knorrig wie eine tausendjährige Eiche. Die kann man im allgemeinen nicht von ihrem Standort bewegen, es sei denn, man fällt sie. Aber mit der Axt und ähnlichem grobem Werkzeug wollte er auf Tante Jenny nicht einwirken, wenigstens vorerst nicht.
    Der Motor tuckerte verhalten. Jan ließ sich Zeit.
    Lady gähnte und drehte sich träge auf die andere Seite.
    Als er in den Kanal einbog, merkte er, daß er zu früh losgefahren war. Es war noch nicht siebzehn Uhr, und die Gäste sollten erst um neunzehn Uhr auf dem Hauptbahnhof eintreffen. Darum machte er sein Boot am Steg der Gaststätte „Zum Torfkanal“ fest und stiefelte an Land. Lady folgte, denn sie hatte auf dem Spielplatz Kinder gehört, und für Kinder hatte sie schon von klein auf eine Schwäche. Kindern gegenüber war sie immer freundlich und nachsichtig. Die durften sie zerren und knuffen, am Schwanz ziehen und ihr die Ohren aufrollen. Sie erlaubte ihnen, sich auf ihren Rücken zu setzen und ihr wie einem Pferd die Füße in die Weichen zu schlagen. Sie balgte und wälzte sich mit ihnen herum, bis sie außer Atem waren oder ins Haus gerufen wurden. Niemals tat sie einem Kind etwas zuleide. Nur insofern konnte das Spiel mit ihr gefährlich werden, als ein Kind bei dem fröhlichen Geraufe mal unter sie geraten konnte. Lady war ja ein unglaublich schwerer Brocken.
    Jan Tabak setzte sich an einen der bunten Gartentische, Lady aber trottete, ohne sich um ihn zu kümmern, auf den Spielplatz. Dort geschah das Übliche: Die Kinder erschraken vor dem großen Tier, zogen sich verängstigt ein paar Schritte zurück und warteten ab, was der Hunderiese zu unternehmen gedachte. Lady kannte das. Sie wußte, daß die ersten Bande behutsam geknüpft werden mußten. Klug wie sie war, blieb sie stehen, vermied jede hastige Bewegung, wedelte nur leicht mit dem Schwanz und schaute freundlich von einem zum andern. Da getrauten sich die Kinder allmählich in ihre Nähe, noch vorsichtig zwar und fluchtbereit, aber doch von ihrer Neugier und Tierliebe unwiderstehlich getrieben. Nach dem ersten leisen Tätscheln, dem zärtlich geflüsterten „Liebes, gutes Tierchen“, dem ein gutmütiges Brummen des Hundes antwortete, wurden sie kecker, streichelten herzhafter, klapsten vorn und hinten und verloren rasch jede Angst und Zurückhaltung. Nach fünf Minuten war die Freundschaft zwischen dem vierbeinigen Riesen und den zweibeinigen Zwergen besiegelt und der fröhlichste Kampf im Gange.
    Jan lächelte und bestellte sich ein zweites Glas Bier.
    Nach dem vierten wollte er aufbrechen und rief nach Lady. Aber die dachte nicht daran, ihre neuen Freunde und Spielgefährten jetzt schon wieder zu verlassen, war doch die Balgerei endlich so derb geworden, daß sie es unter ihrem dicken Fell spürte.
    „Dann eben nicht, du Spielkalb“, sagte Jan Tabak und stieg allein ins Boot. „Vergiß nachher nur nicht das Zusteigen, sonst kannst du nach Hause schwimmen!“
    Er fuhr bis ans Ende des Torfkanals, sprang dort ans Land und drückte den Anker ins Gras. Bedächtig stapfte er die Böschung hoch bis auf die Findorffallee und überquerte dann ohne Hast und Eile die Bürgerweide.
    Um achtzehn Uhr vierzig stand er, mit seiner blauen Mütze auf dem Kopf und einem bunten Blumenstrauß für Tante Jenny in der Hand, an der Sperre eins, wie es abgemacht war.
    Er brauchte nicht lange zu warten, die beiden Kinder erschienen bald. Jan erkannte sie auf den ersten Blick, als sie lustlos auf die Sperre zubummelten, das Mädchen im blauen Kostüm des Internats, der Junge in langer grauer Hose und blauer Jacke.
    Natürlich hatte Jan ihre Namen längst wieder vergessen, irgendso französische wohlklingende, die deutlich machten, wie gebildet die Eltern waren.
    Die Kinder trugen je einen mittelgroßen Koffer, der nicht schwer zu sein schien. Jetzt gaben sie ihre Fahrkarten ab und schauten sich um.
    Auweih! dachte Jan Tabak, was machen die denn für Gesichter! Sie sollen bei uns doch nicht geschlachtet werden! Er trat auf sie zu und tippte dem Jungen auf die
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