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Jan Tabak geht aufs Ganze

Jan Tabak geht aufs Ganze

Titel: Jan Tabak geht aufs Ganze
Autoren: Werner Schrader
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wartete.
    Als er nach zwei weiteren Stunden leicht schwankend zu Hause eintraf, die immer noch müde Lady im Handwagen ziehend, erwartete er das übliche Donnerwetter seiner Frau. Aber es blieb aus. Tina sagte gar nichts, als er durch die Tür trat. Sie saß am Tisch und legte eine Patience. Jan klapperte ein wenig mit den Eimern, die er zum Vorzeigen in der Hand trug, um sich bemerkbar zu machen. Doch auch das öffnete ihren Mund nicht. Sie sah auf die Karten und suchte den Kreuz-König. Ihre Ohren glühten. Die Patience ging nicht auf, das durchschaute Jan im Nähertreten sofort. Tina preßte die Lippen zusammen und machte einen letzten Versuch. Nach längerem mit Spannung aufgeladenem Schweigen warf sie endlich die Karten durcheinander und ließ sich gegen die Lehne des Stuhls zurücksinken. „Meine vornehme Tante Jenny kommt, um bei uns zu wohnen“, sagte sie tonlos. „Und es wird viel Ärger geben, keine der Patiencen ist auf gegangen.“
    „Tante Jenny?“ fragte Jan. „Wer ist das?“
    Tina stützte den Kopf in die Hände und schloß die Augen.
    „Wer das ist, Jan Tabak?“ sagte sie leise. „Das ist ein General in Frauenkleidern, der sein Leben lang nur herumkommandiert hat. Ich fürchte, du wirst dich sehr ändern müssen, wenn du dich mit ihm vertragen willst.“
    „Ändern ist bei mir nicht mehr drin“, antwortete Jan. „Wenn deine Tante Jenny uns hier die Ruhe stehlen will, soll sie bleiben, wo sie ist. Warum willst du sie denn überhaupt bei uns auf nehmen, wenn sie ein so schwieriger Mensch ist?“
    „Ich bin es ihr schuldig. Als meine Mutter starb, habe ich zwei Jahre bei ihr gelebt“, erklärte Tina. „Ihr Sohn hat versucht, sie in ein Altersheim zu geben, aber sie hat sich mit Händen und Füßen dagegen gesträubt.“
    „Hm“, brummte Jan. „Und wann kreuzt sie hier auf?“
    „Das weiß sie selbst noch nicht genau, sie wartet auf unsere Antwort.“
    „So, tut sie das?“, sagte Jan. „Na, dann schreib ihr man, daß sie mit den Kindern zusammen in Bremen eintreffen soll, damit ich nicht zweimal fahren muß und mein Boot voll kriege. Irgendwie werden wir schon mit der alten Dame fertigwerden, notfalls kann Lady uns dabei helfen.“
    Am nächsten Tag beschäftigte Jan Tabak sich mit seinem Motorboot. Er hatte sich von Noldi Hashagen zwanzig Liter Benzin und sechs bunte Lampions aus der Stadt mitbringen lassen. Wenn er mit den Gästen den Torfkanal und die Kleine Wümme entlangfuhr, wollte er die Laternen anzünden und sie an eine Leine hängen, die er vom Mast zum Heck gespannt hatte. Das würde ein netter Willkommensgruß sein.
    Als Lady ihn zum Abendbrot hereinholte, war das Boot getrimmt. „So“, sagte Jan, „jetzt können sie kommen.“
    Er wusch sich die Hände und setzte sich an den Tisch. Lady stand am Spülstein und fraß ihr Spezialfutter.
    „Du mußt den Hund mal wieder absaugen“, sagte Tina, „er haart wie ein alter Besen. Das mag Tante Jenny ganz bestimmt nicht leiden.“
    „Was du nicht sagst“, brummte Jan. „Die alte Dame fällt mir schon auf die Nerven, bevor sie hier ist.“ Er aß seine Spiegeleier, trank den Tee und holte dann den Staubsauger von der Diele. Unter leichtem Druck führte er Lady die harte Saugbürste über das Fell. Der große Hund unterbrach sein Fressen und knurrte behaglich. Das Absaugen seiner losen Wolle empfand er als besondere Liebkosung.
    „Hör auf!“ rief Tina nach einigen Minuten. „Sonst kriegt er noch eine Glatze.“
    Jan tätschelte Lady kräftig den dicken Hals und räumte den Staubsauger wieder weg. Und dann studierte er so lange die Wümme-Zeitung, bis er einschlief.
     

Die Katastrophe auf dem Torfkanal
     
    Genau zehn Tage später machte Jan die Leinen los. Vorsichtig stieß er das Motorboot aus der kleinen Anlegebucht in die Wümme hinein. Lady lag im Heck und ließ sich die Sonne auf den Pelz scheinen. Nach kurzer Fahrt läutete er an der Glocke in Dammsiel, damit man ihm die Schleuse öffnete. Fritz Knapp, der Schleusenwärter, kam aus Garbades Gaststätte heraus und ging auf die Brücke.
    „Hallo, Jan“, grüßte er. „Willst du verreisen? Du hast dein Boot ja bannig rausgeputzt.“
    „Ich hole meinen Besuch ab“, antwortete Jan, „einen alten General und zwei junge Marschierer.“
    „Donnerwetter“, staunte Fritz, „ich hab gar nicht gewußt, daß du ein Militarist bist.“
    Das Schleusentor öffnete sich.
    Mit dampfender Pfeife und knatterndem Motor fuhr Jan in die Kleine Wümme hinein. Er winkte den
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