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Jan Tabak geht aufs Ganze

Jan Tabak geht aufs Ganze

Titel: Jan Tabak geht aufs Ganze
Autoren: Werner Schrader
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Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das bekam ihnen aber nicht. Darum riet der Leiter eines süddeutschen Internats den Eltern, die beiden Kinder unbedingt in den Schoß der Familie aufzunehmen. Der gelehrte Herr Professor Wurzacher und seine gebildete Frau begriffen wohl, daß das ein guter Rat war, sahen sich zur Zeit aber nicht in der Lage, ihn zu befolgen. Sie waren noch für etwa ein Jahr mit Ausgrabungen am Nil beschäftigt. Als er das hörte, empfahl der Internatsleiter, die Kinder in einer anderen Familie unterzubringen, bei kinderfreundlichen Verwandten oder Bekannten.
    Daraufhin schrieb Frau Wurzacher ihrem Onkel Jan einen langen Brief und schilderte ihm die mißliche Lage ihrer Kinder. Und weil Jan viel Zeit und eine tüchtige Frau besaß, willigte er ein, den Jungen und das Mädchen bei sich aufzunehmen.
    Er malte das Giebelzimmer aus, nagelte zwei einfache Bettstellen zurecht und legte die alten Matratzen hinein, die Dietrich Bergmann nicht mehr brauchte, weil seine Frau ihn überredet hatte, eine neue Schlafzimmergarnitur zu kaufen.
    Und nun war er also auf der Suche nach fünf Dachpfannen, damit es nicht länger in das Wohnzimmer regnete.
    Lady legte sich mächtig ins Geschirr und zog den leichten Handwagen so schnell auf dem asphaltierten Deich entlang, daß Jan ordentlich ins Schnaufen kam.
    „Was bist du doch für ein verrückter Hund!“ schimpfte er. „Anstatt daß du dir Zeit läßt und wir einen gemütlichen Spaziergang machen, schießt du dahin wie eine Rakete! Wenn wir vor sechs zurück sind, jagt Tina mich noch aufs Dach, darauf kannst du dich verlassen. Du weißt doch, was für ein herzloses Geschöpf sie ist!“
    Aber Lady hörte nicht auf ihren Herrn. Sie setzte einen ihrer dicken Füße vor den andern und versuchte sogar zweimal, in einen leichten Zuckeltrab zu fallen.
    Jan steckte die Pfeife weg. Bei dem Tempo schmeckte sie nicht. Er hielt sich hinten am Wagen fest, um Schritt halten zu können. „Lady, du bist der gemeinste Hund, der je in Niederblockland zu Hause war“, knurrte er. „Aber warte, wenn du mal müde bist! Dann kannst du lange warten, bis ich dich ziehe! Dann kannst du meinetwegen auf den Knien vor mir herrutschen: ich werde meinen Weg gehen, als ob du Luft für mich wärst. Luft, verstehst du? Dicke, fette Luft!“ Lady wischte mit ihrem langen Schwanz einmal von links nach rechts und einmal von rechts nach links über das vordere Wagenschott und gab keine Antwort. Sie marschierte und marschierte und wandte nicht mal den gewaltigen Kopf, als Ummo Füerbrink von seinem Boot auf der Wümme ein freundliches „Guten Tag, ihr beiden!“ zu ihnen hinaufrief. Jan keuchte so sehr, daß er nicht antworten konnte. Er winkte nur grüßend mit der Hand.
    In Dammsiel endlich blieb Lady stehen, schüttelte den Kopf, daß der Schaum von ihrem Maul zwei Meter weit spritzte, und wechselte ein paar Worte mit einem alten Bekannten, dem Dobermann aus dem Wirtshaus. Jan wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht, tippte Lady an die Stirn, sagte grimmig: „Du wirst auch jeden Tag verrückter!“ und ging von der Wasserseite her in die Wirtschaft hinein. Er setzte sich auf seinen Stammplatz ans Fenster, unter dem Lady mit dem Handwagen stand, und bestellte Bier und Schnaps.
    „Sei so gut“, sagte er zu dem Wirt, „und bring Lady eine Handvoll Nüsse ‘raus. Wir haben eine kleine Meinungsverschiedenheit.“
    „Ich habe nur noch gesalzene“, antwortete der Wirt.
    „Dann gib ihr einen Riegel Nußschokolade.“
    Der Wirt verschwand nach draußen. Als er wieder hereinkam, hatte Jan Bier und Schnaps schon ausgetrunken. Er ließ nachschenken und kam allmählich wieder zu Atem.
    „Weißt du nicht, wo ich ein paar Dachziegel kriegen kann?“ fragte er. „Tina stört sich daran, daß es bei uns durchregnet.“
    Der Wirt setzte sich zu Jan an den Tisch.
    „Vielleicht kannst du in Wasserhorst welche haben“, sagte er. „Da wurde doch die Schule abgebrochen. Einige mögen da noch herumliegen.“
    Jan kippte den Schnaps hinunter.
    „Wasserhorst ist weit“, sagte er. „Das möchte ich Lady jetzt nicht zumuten. Sie hat sich eben zu sehr verausgabt.“
    „Laß sie doch hier. Solange Greif da ist, hat sie ja Unterhaltung.“
    „Ach, weißt du“, wehrte Jan ab, „allein ist mir das zu langweilig. Man muß doch unterwegs mal ein paar Worte wechseln können.“ Der Wirt schüttelte den Kopf.
    „Du benimmst dich, als ob das Riesenvieh Verstand hätte“, sagte er. „Ich geh mit
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