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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte
Autoren: Craig Russell
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stärker verärgerte als ihn selbst. »Damit du prüfen kannst, ob er irgendetwas Wichtiges enthält.«
    In die Mordkommission zurückgekehrt, blieb Fabel an Anna Wolffs Schreibtisch stehen. Er reichte ihr das Blatt mit dem Namen und der Adresse des Mädchens, die der Mörder auf dem Zettel angegeben hatte. Annas Lächeln verschwand, als sie die Notiz las.
    »Sind das die Daten des toten Mädchens?«
    »Genau das sollst du herausfinden«, sagte Fabel bitter. »Der Mörder hat dem Opfer einen Zettel in die Hand gedrückt. Darauf stand, dass dies der Name und die Adresse des Mädchens sind.«
    »Ich kümmere mich sofort darum, Chef.«
    Fabel schloss die Tür hinter sich, als er sein Büro betrat. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und schaute durch die gläserne Trennwand, die ihn vom Großraumbüro der Mordkommission abgrenzte. Er hatte sich nie völlig an das neue Polizeipräsidium gewöhnen können. Das alte Hauptquartier Beim Strohhause unweit des Berliner Tors hatte ihm viel besser gefallen. Die Polizei Hamburg wurde umstrukturiert, und das meiste davon sagte Fabel nicht sehr zu. Sie waren nun in einem nagelneuen, fünfstöckigen Gebäude untergebracht, das sternförmig um ein zentrales Atrium angeordnet war.
    Nicht alles war so glatt abgelaufen, wie man geplant hatte. Ursprünglich hatte sich im Atrium ein Teich befunden, der jedoch zur Heimat von wolkenartigen Mückenschwärmen geworden war. Als das Präsidium daraufhin von großen Spinnenpopulationen heimgesucht wurde, die sich an der reichen Beute des Teiches labten, schüttete man den Teich mit Kies zu. Und es kam zu weiteren Änderungen: Die Uniformen der Hamburger Schutzpolizei sollten nach und nach durch blaue Dienstkleidung ersetzt werden, die sich vom Beige-Grün der bundesdeutschen Polizeikräfte unterschied. Was Fabel jedoch nur mühsam verkraften konnte, war die Militarisierung von Teilen der Hamburger Polizei. Seine Vorgesetzten versicherten ihm, die Mobilen Einsatzkommandos – oder MEK s – seien ein notwendiges Übel, und Fabel selbst forderte manchmal selbst bewaffnete Einheiten zur Unterstützung an, besonders nachdem er ein Mitglied seines Teams verloren hatte, aber er hegte schwere Vorbehalte gegen die Einstellung mancher MEK -Angehöriger.
    Fabel betrachtete sein Team durch die Trennwand. Diese Mannschaft würde die Jagd auf Paulas Mörder aufnehmen. Die Beamten würden in unterschiedliche Richtungen ausschwärmen, um ihre jeweiligen Aufgaben zu erfüllen, bis alle im entscheidenden Moment der Lösung zusammenkamen. Für Fabel galt es, die Übersicht zu behalten und über die Details hinauszublicken. Sein Urteilsvermögen und seine Organisation der Ermittlung würden darüber entscheiden, ob man Paulas Mörder fand oder nicht.
    Er zog es vor, nicht über diese Verantwortung nachzusinnen, denn wenn er es tat, wurde die Last nahezu unerträglich. In solchen Momenten hatte er Zweifel an den Entscheidungen, die er treffen musste. Wäre es so schlimm gewesen, sich mit dem Leben als Hochschullehrer an einer Provinzuniversität abzufinden? Oder als Englisch- oder Geschichtslehrer an einer friesischen Schule? Vielleicht wäre seine Ehe mit Renate dann nicht zerbrochen. Vielleicht würde er dann nachts ruhig schlafen, ohne von den Toten zu träumen.
    Anna Wolff klopfte an die Tür und trat ein. Ihr hübsches Gesicht mit den dunklen Augen und den allzu roten Lippen war umwölkt. Sie nickte ernst und beantwortete damit Fabels unausgesprochene Frage. »Ja. Paula Ehlers ist auf ihrem Heimweg von der Schule verschwunden. Ich habe mir die Datenbank angesehen und dann mit dem Polizeirevier Norderstedt gesprochen. Auch ihr Alter könnte stimmen. Aber es gibt etwas, das nicht zu den übrigen Umständen passt.«
    »Was denn?«
    »Wie gesagt, ihr Alter würde dem des toten Mädchens entsprechen… heute jedenfalls. Nur, Paula Ehlers ist vor drei Jahren verschwunden, als sie dreizehn war.«

4.
    Hamburg-Norderstedt, Mittwoch, den 17. März, 19.30 Uhr
    Normalerweise dauerte die Fahrt vom Präsidium nach Norderstedt nur rund eine halbe Stunde, doch Fabel und Anna Wolff legten eine Pause ein, um etwas zu essen. Der Rasthof war leer, abgesehen von zwei Männern, die, wie Fabel annahm, zu den beiden draußen geparkten Fahrzeugen – einem LKW und einem großen Lieferwagen – gehörten. Die Trucker saßen am selben Tisch und arbeiteten sich stumm und finster durch einen Lebensmittelberg. Fabel warf einen flüchtigen Blick auf die beiden Fahrer, die beide den
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