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Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Jan Fabel 02 - Wolfsfährte

Titel: Jan Fabel 02 - Wolfsfährte
Autoren: Craig Russell
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waren ein paar Sekunden lang sprachlos, bevor Fabel sagte: »Ich glaube, wir sollten in den Keller gehen.«
    »Mir scheint, ich habe ihn gefunden oder wenigstens den Eingang.« Maria war hinter ihnen in der Tür erschienen. Sie führte ihre Kollegen die Treppe hinunter und den Flur entlang. Der Raum am hinteren Ende war die Küche des Hauses oder hatte früher als Küche gedient. Sie war ausladend, und an der Wand stand ein Herd. Seine relative Sauberkeit und das schwache Summen des großen, neu wirkenden Kühlschranks ließen vermuten, dass dies neben der Schlafzimmer-Bücherei im ersten Stock die einzige bewohnte Fläche im Haus war. Zwei Türen waren nebeneinander in die Wand eingelassen. Die eine stand offen und führte in eine Speisekammer, die andere war mit einem Schloss abgesperrt.
    »Die hier führt wahrscheinlich in den Keller«, sagte Maria.
    »Und zu Paula…« Anna starrte die Tür an.
    Werner verließ die Küche und eilte zur Haustür, wo die beiden Schutzpolizisten Wache standen. Kurz darauf kam er mit einem Brecheisen zurück.
    »Dann man los.« Fabel nickte zu dem Schloss hinüber.
    Sobald das Schloss aufgebrochen und die Tür geöffnet war, merkte Fabel, dass der Geruch, den er vorher bemerkt hatte, deutlich intensiver wurde. Die Stufen verschwanden unten in der Dunkelheit. Werner ertastete einen Lichtschalter, und alser darauf drückte, erwachten Neonröhren flackernd zum Leben. Fabel führte sein Team in den Keller.
    Es war eine Bäckerei. Eine richtige, funktionsfähige Bäckerei. Wie Biedermeyer gesagt hatte, war hier ein riesiger italienischer Backofen eingebaut worden. Auf dem Tablettwagen davor hätte man ein Dutzend Brotlaibe unterbringen können. Anders als im übrigen Haus wirkte im Keller alles makellos sauber. Ein Vorbereitungstisch aus rostfreiem Stahl glänzte unter den Neonröhren. An einer Seite stand eine Gebäckformmaschine. Fabel sah hinab auf den Betonfußboden. Darunter lag Paula.
    Der Geruch. Brandgeruch. Fabel erinnerte sich daran, dass Biedermeyer ihn und seine Kollegen aufgefordert hatte, den Ofen abzuschalten, der seit dem Morgen angestellt war. Fabel hatte das für einen Witz gehalten, aber offensichtlich hatte Biedermeyer begonnen, etwas zu backen, bevor er zur Arbeit gefahren war, und er hatte erwartet, am Nachmittag zurück zu sein.
    Die Zeit schien für Fabel stehen zu bleiben. Das in ihm aufschießende Adrenalin verlängerte jede Sekunde, und in jenem Moment legte er eine größere Entfernung zurück als während der gesamten Ermittlung. Er drehte sich zu seinen Kollegen um. Die standen da und musterten den Betonfußboden, als könnten sie Paula darunter erspähen. Nicht Paula, sondern Gretel. Fabel warf einen Blick zurück auf den Tablettwagen, der innerhalb des Ofens hätte sein müssen. Und nichts wird einen ganzen Tag lang gebacken.
    »O mein Gott«, rief er und griff nach dem Tuch auf dem Vorbereitungstisch. »O nein…«
    Er wickelte das Tuch um den Ofengriff und drehte ihn um. Dann schwenkte er die Tür auf.
    Eine Welle aus Hitze und ekelhaftem Gestank rollte über Fabel hinweg in die Kellerbäckerei. Es war der klebrige, erstickende Gestank von bratendem Fleisch. Fabel wich zurückund presste das Tuch auf seine Nase und seinen Mund. Sein Universum faltete sich tausendmal zusammen, bis es nichts mehr als ihn selbst und das sich ihm darbietende Grauen enthielt. Er hörte nicht, wie Henk Hermann würgte, Maria einen Aufschrei unterdrückte und Anna Wolff schluchzte. Das Einzige, was in sein Bewusstsein drang, war der Anblick dessen, was im Inneren des Ofens lag.
    Ein großes Metalltablett ruhte auf dem Boden des Backofens. Darauf lag, in Embryohaltung gefesselt, der nackte und halb gekochte Körper einer alten Frau. Ihr Haar war fast verschwunden, nur ein paar klumpige Fetzen hafteten noch an der gerösteten Kopfhaut. Die Haut war geschwärzt und aufgeplatzt. Die Hitze hatte die Sehnen ausgetrocknet und gestrafft, sodass der Körper noch krummer geworden war.
    Fabel betrachtete die Leiche. Dies war Biedermeyers Meisterstück – Bruder Grimms letztes Märchen, durch das der Kreis geschlossen wurde. Das Ende von »Hänsel und Gretel«: Die böse Hexe wird in ihren eigenen Backofen gestoßen.

Danksagung
    Es hat mir viel Spaß gemacht, dieses finstere Garn zu spinnen, und ich möchte allen danken, die mir geholfen und das Vergnügen erhöht haben:
    An erster Stelle danke ich meiner Frau Wendy, die sich von Anfang an für WOLFSFÄHRTE begeisterte und deren
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