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Jagdsaison. Roman.

Jagdsaison. Roman.

Titel: Jagdsaison. Roman.
Autoren: Andrea Camilleri
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horchte auf, und sein Gesicht erglühte wie ein Streichholzkopf.
    »Was für einen Mist erzählen Sie da?«
    »Die Wirtin von der Locanda hat mir gesagt, daß er so heißt.«
    »Die Wirtin hat Sie für blöd verkauft. Das ist der Name eines Heiligen.«
    »Ich hab doch gesagt, daß er Santo heißt!«
    »Was für ein Dickschädel sind Sie bloß! Alfonso de’ Liguori ist ein Heiliger, nicht einer, der sich Santo nennt!«
    »Verzeihen Sie, Padre Macaluso«, unterbrach ihn Baron Uccello in gesetztem Tonfall. »Ist es gar verboten, daß einer sich mit Vornamen Santo, mit zweitem Namen Alfonso und mit Nachnamen de’ Liguori nennt?«
    »Das ist nicht verboten, aber mir kommt es wie eine Verarschung vor.«
    »Und haben Sie rausgekriegt, wie lange er in Vigàta bleiben will?« fragte der Postbeamte Colajanni.
    »Zwei Wochen. Und ich werde ausreichend Zeit haben, um sogar in Erfahrung zu bringen, wie viele Haare er am Hintern hat.«
    Doch es kam nicht mehr dazu, ebendiese Haare zu zählen, um bei dem Bild zu bleiben. Der Unbekannte beschloß nämlich eines Tages, selbst alle wissen zu lassen, wer er war und was er in Vigàta zu tun gedachte.
     
    Der Zugereiste mietete sich eine kleine Karosse und Pferde und begann zwischen Montelusa, Sitz sämtlicher Amtsstellen, und Vigàta zu pendeln. Dort sah man ihn, wie er seinen Fuß in die königliche Präfektur, in die königliche Quästur, in das königliche Steueramt und an viele andere, nicht minder königliche Orte setzte. Doch das Warum dieser Zeitverschwendung blieb auf immer im Ungewissen. Eines Abends sah man Santo Alfonso, wie er am Hafen entlangschlenderte und sich leise mit Bastiano Taormina unterhielt, mit dem am selben Tisch zu sitzen nicht ratsam war, viel weniger noch, ihm bei Dunkelheit zu begegnen.
    Der Geometer Fede, der das vertrauliche Stelldichein aus der Ferne beobachtet hatte, konnte die ganze Nacht kein Auge zutun, so gewaltig plagte ihn die Neugier. Am nächsten Morgen machte er sich in aller Herrgottsfrühe, innerlich zitternd wie Wackelpeter, zum Obst- und Gemüseladen von Bastiano Taormina auf den Weg.
    »Welche Freude, Don Bastiano zu sehen«, grüßte er und lehnte sich scheinbar lässig gegen den Türrahmen, in Wirklichkeit aber, weil er dringend einen Halt brauchte. Taormina, der gerade eine Kiste Erbsen auslud, würdigte ihn keiner Antwort.
    »Ist es gestattet?«
    »Kommen Sie rein.«
    Jetzt, da der Geometer sprechen sollte, schien ihm die Zunge wie festgewachsen. »Eine Frage nur, und ich überlasse Sie wieder Ihrer Arbeit. Wer ist Santo Alfonso de’ Liguori?«
    Der andere sah ihn verdutzt an. »Ein Heiliger. Meine Mutter verehrt ihn.«
    »Verzeihen Sie bitte, aber den meine ich nicht. Wer ist der Fremde?«
    »Ein Mann«, sprach Taormina, und seine Pupillen verengten sich.
    Fede ließ es gut sein, jede weitere Frage hätte tödliche Folgen haben können.
    Aber der Geometer bekam dennoch seine Genugtuung. »Jetzt weiß ich alles«, prahlte er zwei Tage später vor den Freunden des Zirkels. »Herr de’ Liguori hat das Haus gekauft, das dem Bruder von Taormina, Jano, gehörte, der auf See verschollen ist; es ist das Haus im Corso, ganz in der Nähe von meinem, im Erdgeschoß ist ein Lager, darüber eine Wohnung. Morgen werden die Maurer und Handwerker anrücken.«
    »Aber was will er nur in Vigàta machen?«
    »Auch das weiß ich«, sagte der Geometer stolz wie ein Pfau. »Er ist gekommen, um eine Apotheke aufzumachen.«
     
    Und deshalb wunderte sich niemand, daß Sasà Mangione, wann immer der »Franceschiello« in der nächsten Zeit anlegte, riesige Truhen an Land schaffte, die so schwer waren, daß er bei jedem Schritt einen Leistenbruch riskierte. Kein Aufsehen erregte im Postamt das Eintreffen einer Kiste voller Schläuche, Flaschen in allen Größen und bislang nie gesehenen Formen. Nichts Besonderes war es, daß der Apotheker de’ Liguori in der Frühe aufbrach und Wiesen und Felder nach speziellen Kräutern und Blumen absuchte. All das gehörte zu seinem Beruf.
    »Er hat alles mit Umsicht geplant«, befand der Geometer Fede.
    »Im Erdgeschoß ist der Apothekerladen, an den sich ein großer Raum mit mehreren Tischen anschließt, auf denen die Glasgeräte aufgebaut sind. Dort stehen auch zwei großbauchige, stets gefüllte Wasserkrüge und ein kleiner Trockenofen für die Kräuter. Das Hinterzimmer hat einen Ausgang zur Straße, so daß der Apotheker auch nach Geschäftsschluß ein und aus gehen kann, ohne die Ladentür aufschließen zu
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