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Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere
Autoren: K.M. O'Donnell
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die beste Beschreibung des Geschlechtsaktes. Nicht etwa, daß dies schon alles gewesen wäre – es gab bei sexuellen Aktivitäten noch viel mehr, was mit dem Eindringen nichts zu tun hatte, aber es kam trotzdem nahe an den idealisierten Sinn heran. Ihr allererster Geschlechtsverkehr war vielleicht vor dreißig Jahren gewesen. Sie hatte im Augenblick des Eindringens geweint, schade. Nun, jetzt wußte sie es besser. Sie war sich da nahezu sicher.
    Weil diese Gedanken sie nicht weiterbrachten – man mußte sagen, daß diese Halluzinationen erheblichen Widerstand leisteten und anhielten –, begab sie sich in den hinteren Teil der Zelle, um die Bücher anzuschau en, die man ihr dagelassen hatte. Sie standen in zwei übereinanderliegenden Fächern, alles Taschenbücher mit schreiend bunten Titelbildern, die sie zuerst gleichgültig wahrnahm. Sie wurde neugierig, als sie sah, daß sie nur zwei Themen zum Gegenstand hatten: Sex und Science Fiction. Sie konnte das an den Titeln der Bü cher erkennen: Invasion aus dem All, Aufstand der Roboter, Palast der Lust, Sündige mit mir, Piraten zwischen Erde und Venus, Rakete zwischen Schenkeln, Die Fleischfarm, Stützpunkt der Außerirdischen und so weiter.
    Nachdem sie in einige der Bücher hineingesehen hatte, stellte sie fest, daß sie genau das enthielten, was sie erwartet hatte: Die Science-Fiction-Bücher schienen mit Nichtigkeiten über Außerirdische oder Flüge in den Weltraum – mit dem idiotischsten Zeug also, das man sich vorstellen kann – angefüllt zu sein; die Pornos waren widerlichster Dreck. Es war keine Frage; anders konnte man diese Bücher nicht klassifizieren. Die beiden, die sie oberflächlich durchblätterte, schienen voll zu sein von Peitschen und Perversitäten. Aber es gab eben immer noch Leute, die so etwas mochten. Eines der Science-Fiction-Bücher – jenes mit dem Ti tel Invasion aus dem All – interessierte sie etwas mehr; sie blätterte es schnell durch, da sie ohnehin nichts anderes zu tun hatte. Es handelte von einer Gruppe Außerirdischer – aus einem anderen Sonnensystem oder etwas ähnlichem –, die eines Morgens zu Tausenden auf der Erde gelandet waren, weil sie einfach keinen Lebensraum mehr hatten, der Mensch das Universum mit Atomwaffen »vergiftete«, und weil diese Wesen obendrein noch durch und durch böswillig waren. In der Tat war es ihre Hauptbeschäftigung, böswillig zu sein. Das Buch beschrieb, wie verschiedene einfache Erdenmenschen von diesen Fremden festgenommen und gefangengesetzt wurden; nebst einer ganzen Reihe von Rückblenden, die dem Leser ihre Lebensgeschichten darlegten, so daß er sich mit ihnen identifizieren konnte.
    Della fand es lächerlich, daß die Leute, die geradewegs von der Straße weg oder aus dem Bett heraus in ein Verließ geworfen wurden, nichts Besseres zu tun hatten, als über ihr ganzes bisheriges Leben nachzudenken. Sie hätten wenigstens angeekelt, verärgert oder in panischen Schrecken versetzt werden müssen. Aber nicht diese Leute, nein, diese nicht; nichts spielte für sie eine größere Rolle als die unwichtigen Dinge aus ihrer Vergangenheit. Und zu allem Übel war ihr Leben auch unglaublich langweilig gewesen: ein vollkommener Querschnitt durch die Menschlichkeit; mit Geschichten, erzählt aus der Sicht eines Priesters, eines Lehrers, einer Hure, eines Industriekapitäns, eines Wermutbruders und eines Hockeyprofis. Es schien, daß alle in ihrem Leben nur an Sex gedacht hatten – am meisten der Priester, der sich als Brutstätte der Geilheit entpuppte.
    Es war ein blödes Buch. Eines der blödesten, das sie je in den Händen gehalten hatte, und die Umstände, unter denen sie es betrachtete, überwältigten sie plötzlich, ließen sie in Schweiß ausbrechen und machten sie müde. Sie warf das Buch auf den Zellenboden und setzte sich auf die Matratze in der Ecke, weil es sonst absolut nichts für sie zu tun gab.
    Die Banalität der Sache, murmelte sie wieder, als ob es das einzig Sinnvolle wäre, was sie mit ihr selbst verband. Aber sie würde nicht zu weinen anfangen. Würde sie weinen, würde sie zugeben, daß alles real war – und das konnte doch nicht sein. So saß sie lange Zeit da, starrte ausdruckslos die Wand an und wartete darauf, daß die Behelmten zurückkämen und ihr erzählen würden, was sie mit ihr anzustellen gedachten.

 
Zwei
     
    DRAUSSEN:
    Lange Zeit waren die Metastasen in Archers Gehirn gewachsen, bevor man sie entdeckte. So was Dummes. Pech für James
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