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Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Titel: Jäger und Gejagte
Autoren: Nyx Smith
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Arrest, Zauberbubi«, sagt einer grinsend.
    »Magier«, schnaubt ein anderer verächtlich.
    Bandit nickt verstehend. Er ist kein Magier, aber Normalsterbliche treffen diese Unterscheidung nur selten. Er ist ein Schamane. Er folgt Waschbär. Er hat mit Magiern etwa so viel gemeinsam wie ein Künstler mit einem Wissenschaftler. Er könnte versuchen, es den Orks zu erklären, will seine Zeit aber lieber nicht verschwenden. »Sei eins mit der Welt.«
    »Hä?« knurrt der führende Ork.
    Bandit wendet sich zur Seite und tritt nach rechts. Die Augen eines Normalsterblichen sehen jetzt, wie er durch die Tunnelwand geht und verschwindet. Das ist eine Art Illusion. Die Wachen stehen mit offenem Mund da und rufen irgend etwas, zögern jedoch, ihm zu folgen. Bis sie schließlich herausgefunden haben werden, was geschehen ist, wird Bandit längst weg sein.
    Wieder einmal sind die Wachen vom einfallsreichen Waschbär überlistet worden. Auch das liegt in der Natur der Dinge. Nur ist jetzt Bandits kleines Geheimnis, seine geheime Öffnung, kompromittiert worden. Er spitzt die Lippen und verzieht das Gesicht. »Verdammt.«

3
     
    Die Sonne ist längst untergegangen, als das Sehvermögen zurückkehrt.
    Tikkis Fell ist mit getrocknetem Blut verklebt, und im Umkreis von mehreren Metern ist der Schnee rot von ihrem Blut, aber ihr Fell ist wieder ganz und ihre Knochen sind wieder heil. Ihre Muskeln erwachen zuckend zu neuem Leben. Mit einem grollenden Atemzug, der in ein wütendes Brüllen überzugehen droht, springt Tikki auf, rennt zur Hütte und fegt durch die geschlossene Tür. Dann ist kein Zweifel mehr möglich. Das Junge ist verschwunden.
    Sie brüllt, da die Wut in ihr brennt, hört jedoch abrupt auf. Die Erfahrung warnt sie. Sie war schon oft in dieser Situation - bekämpft von Zweibeinern, angegriffen von Menschen, verraten und betrogen von Elfen und Orks. Mit Verrat und Niedertracht konfrontiert und gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen. Nun, da der Mond aufgeht, schreien ihre Instinkte nach Vergeltung, und doch weiß sie, daß das nicht der richtige Weg ist.
    Um Erfolg zu haben, um sich in der Welt der Zweibeiner durchzusetzen, muß sie die Wildheit ihrer Instinkte niederringen und ihren Verstand benutzen. Sie muß denken. Analysieren. Abwägen. Überlegen, welcher Weg der beste ist und welcher vermieden werden sollte.
    Sie geht wieder nach draußen und starrt ins graue Dunkel der Nacht. Der Gestank des Mostrans steht geradezu in der Luft. Das Luftkissen des Hovertrucks hat eine deutliche Spur im Schnee hinterlassen. Die Witterung und die Spur werden sich noch stundenlang halten, vielleicht sogar tagelang. Sie wird ihnen folgen, aber zuerst geht sie wieder in die Hütte. Es gibt Dinge, die sie untersuchen, und Entscheidungen, die sie treffen muß.
    Die Hütte ist alt: roh behauene Wände aus abgelagertem Holz, Blätter und Piniennadeln. Der Gestank der Elfen hängt in der Luft. Tikki trinkt ihn förmlich, saugt die Witterung ganz tief in ihre Lungen, denn sie will sie sich in ihr Gedächtnis brennen, will sich so deutlich daran erinnern, daß sie auch die kleinste Spur wiedererkennt, und wenn sie in einer noch so flüchtigen Brise an ihr vorbeiweht. Sie geht zu dem kleinen Berg mit Hundefellen in einer Ecke und vergräbt ihre Nase darin, beschnuppert die Duftrückstände, die das Junge hinterlassen hat. Auch daran wird sie sich erinnern.
    Sie wird die Elfen jagen, sie jagen, bis entweder sie tot oder das Junge wieder bei ihr ist. Sollte sie das Junge tot vorfinden, wird sie die Elfen verstümmeln, sie vernichten, sie in Stücke reißen und dann ihr Fleisch den Krähen zum Fraß vorwerfen.
    So oder so wird sie es den Elfen heimzahlen.
    Nun zu den Entscheidungen. Durch Ramans Abreise fehlt ihr ein Transportmittel. Bis jetzt hat Tikki das nichts ausgemacht. Sie hatte nicht vor, irgendwohin zu gehen, bevor das Junge alt genug zum Reisen ist und alles über die Zweibeiner weiß. Also hat sie ein Problem. Sie hat Waffen und andere Werkzeuge, die ihr bei ihrer Jagd nützlich sein könnten, aber keine Möglichkeit, sie mitzunehmen, keine Hände, um sie zu halten, keine Schultern, um sie zu tragen, wenn sie nicht ihre menschliche Gestalt annimmt und auf zwei Beinen reist.
    Die Natur hat ihre vierbeinige Gestalt mit allen Waffen und Werkzeugen versehen, die sie für das Leben in der Wildnis je brauchen wird.
    Und in der Welt der Metamenschen...?
    Es spielt keine Rolle. Waffen und andere Werkzeuge kann sie sich überall besorgen.
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