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Jäger des verlorenen Schatzes

Jäger des verlorenen Schatzes

Titel: Jäger des verlorenen Schatzes
Autoren: Campbell Black
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sich das Gesicht des letzten Menschen vorzustellen, der eben diese Fackel in der Hand gehalten haben mochte, dachte an die Zeitspanne - immer wieder blieb er fassungslos vor den Dingen, die so viele Jahrhunderte überdauert hatten. Er zündete die Fackel an, warf einen Blick auf Satipo, beugte sich vor und stieß mit dem anderen Ende der Fackel auf eine der weißen Fliesen. Er klopfte mehrmals darauf. Fest. Kein Widerhall, kein Vibrieren. Sehr fest. Er klopfte auf eine der schwarzen Platten.
    Es passierte, bevor er die Hand zurückziehen konnte. Ein Geräusch, als schnelle etwas durch die Luft, pfeifend schnell, dann fetzte ein kleiner Pfeil in den Schaft seiner Fackel. Er zog die Hand zurück. Satipo stieß den Atem aus und zeigte in den Saal hinein.
    »Er kam von dort«, sagte er. »Sehen Sie das Loch dort? Von dort kam der Pfeil.«
    »Ich sehe Hunderte von Löchern«, gab Indy zurück. Die Wände waren übersät mit schattenhaften Vertiefungen, von denen jede einen Pfeil enthalten mußte. Sobald man eine schwarze Fliese betrat oder darauf drückte, wurde eines der Geschosse abgefeuert. »Bleiben Sie hier, Satipo.« Der Peruaner drehte langsam den Kopf.
    »Wenn Sie darauf bestehen.«
    Indy trat, die lodernde Fackel in der Hand, vorsichtig in den Saal, mied die schwarzen Platten, stieg über sie hinweg, um die ungefährlichen weißen Platten zu erreichen. Er nahm seinen Schatten wahr, den der Fackelschein an die Wände warf, war sich der todbringenden Löcher bewußt, die man im Halbdunkel undeutlich erkennen konnte. Aber es war doch vor allem die Götzenfigur, die seine Aufmerksamkeit beanspruchte, deren unendliche Schönheit immer deutlicher wurde, je näher er herankam, das hypnotisierende Glitzern, der rätselhafte Ausdruck des Gesichts. Seltsam, dachte er, fünfzehn Zentimeter hoch, zweitausend Jahre alt, ein Klumpen Gold mit einem Gesicht, das man kaum schön nennen konnte - seltsam, daß Menschen darüber den Verstand verloren, daß sie dafür töteten. Und trotzdem hielt ihn das Bildwerk in seinem Bann, so daß er den Blick abwenden mußte. Konzentriere dich auf die Bodenfliesen, ermahnte er sich. Nur darauf. Auf nichts sonst. Laß deinen Instinkt hier nicht betäuben.
    Vor ihm auf einer weißen Platte, durchbohrt von Pfeilen, lag ein kleiner, toter Vogel. Er starrte ihn an, innerlich aufgewühlt, ergriffen von der Erkenntnis, daß die Tempelbauer, die Erfinder dieser Fallen, zu raffiniert gewesen sein würden, um allein die schwarzen Fliesen als Auslöser der tödlichen Pfeile zu verwenden. Wie ein Joker in einem Kartenspiel würde mindestens eine weiße Fliese ebenfalls todbringend sein.
    Mindestens eine.
    Und wenn es mehrere gab?
    Er zögerte, spürte, wie der Schweiß an ihm herunterrann, fühlte die Wärme des Sonnenscheins auf seinem Kopf, die Hitze der Fackelflammen an seinem Gesicht. Vorsichtig stieg er über den toten Vogel hinweg und starrte auf die weißen Platten, die zwischen ihm und dem Götzenbild lagen, als sei jede einzelne sein persönlicher Feind. Manchmal ist Vorsicht nicht genug, dachte er. Manchmal erringt man den Preis nicht, wenn man zögert, wenn man das letzte Risiko scheut. Vorsicht muß sich mit Einsatz verbinden - aber man muß wissen, daß man erträgliche Aussichten hat. Das Idol lockte ihn an. Es ließ ihn nicht los. Und hinter sich fühlte er Satipo, der vom Eingang aus zuschaute, ohne Zweifel Pläne schmiedend.
    Tu es, sagte er zu sich selbst. Was soll sein? Tu es, zum Teufel noch mal, was bringt die Vorsicht?
    Er bewegte sich mit der Anmut eines Tänzers. Er war unterwegs mit der eigenartigen Eleganz eines Mannes, der sich zwischen Rasierklingen dahinschlängelt. Jede Fliese war jetzt möglicherweise eine Tretmine, ein Schritt konnte den Tod bedeuten. Er schob sich vorwärts und stieg über die schwarzen Platten, wartete darauf, daß sein Gewicht den Mechanismus auslöste, der die Pfeile in Schwärmen durch die Luft schnellen ließ. Dann war er näher an dem Altaraufsatz, an der Figur. An der Beute. Am Triumph. Und an der allerletzten Falle.
    Wieder blieb er stehen. Sein Herz hieb wuchtig an die Rippen, sein Pulsschlag dröhnte, in seinen Adern sengte das Blut. Schweiß tropfte von seiner Stirn und rann über seine Lider, machte ihn blind. Er wischte ihn mit dem Handrücken weg. Nur wenige Meter, dachte er. Wenige Meter.
    Und wenige Fliesen.
    Er hob nacheinander die Füße und setzte sie vorsichtig wieder auf. Wenn er je auf vollkommenes Gleichgewicht angewiesen gewesen
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